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Mittwoch, 01. August
2012
Guten Morgen,
der neue Co-Chef der Deutschen Bank,
Anshu Jain, steht doppelt unter Druck: Die Investoren interessieren sich für
seine Zukunftsvision, die Aufsichtsbehörden für seine
Vergangenheit. Gestern versuchte die Bank, beide Gruppierungen glücklich
zu machen. Den Investoren versprach man 1.900 Jobs abzubauen. Die durch
illegale Zinsmanipulationen aufgeschreckten Aufsichtsbehörden beruhigte
der Aufsichtsrat mit dem Hinweis, "nach aktuellem Stand der Untersuchungen" sei
kein Mitglied des Vorstandes in illegale Machenschaften verwickelt. Unsere
Titelgeschichte "Unter Beobachtung" analysiert Jains unkomfortable
Sandwich-Position.
Heute Morgen haben zwei Dax-Konzerne ihre aktuellen
Geschäftszahlen für das zweite Quartal vorgelegt: BMW und
Henkel. Während Henkel-Chef Kasper Rorsted trotz der Euro-Krise das
Ergebnis um fast neun Prozent steigern konnte, musste BMW-Chef Norbert
Reithofer einen Gewinnrückgang gegenüber dem Vorjahresquartal um gut 28
Prozent vermelden. Dennoch erwarten unsere Experten, dass beide Konzerne für das
Gesamtjahr Rekordergebnisse erzielen werden. Ein Grund: Beide werden derzeit
außergewöhnlich gut gemanagt. Zu hoffen ist, dass die Euro-Krise nicht auf ein
Finale zutreibt, bei dem alle Manager wie Statisten aussehen
könnten.
In der Union wagt es keiner mehr, Angela Merkel zu
widersprechen, heißt es immer. Irrtum! Da ist ja noch Josef Schlarmann,
der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung. Er warf gestern seiner Partei -
Stichworte: Euro-Rettung, Mindestlohn und Steuerpolitik - eine "fehlende
bürgerliche Haltung" vor und bezichtigte sie, eine "Politik des Durchlavierens"
zu betreiben. Gefragt, ob es sich bei seiner Wortmeldung um einen Weckruf
handele, antworte er: "Mit einem Weckruf tritt man in einen Saal, in dem
alle schlafen. Ich komme mir vor wie in einem Saal, in dem alle betäubt sind."
Schlarmann ist in der Merkel-CDU der letzte frei laufende Mohikaner. Auf ihn
wartet das Reservat für unangepasste Politiker. Einsam wird es dort für ihn
nicht: Friedrich Merz, Peter Gauweiler und Roland Koch sind auch schon
da.
Einige Krankenkassen-Funktionäre haben vorgeschlagen, einen
Zertifikatehandel für Krankenhausoperationen zu starten. Damit ließen
sich Engpässe in den Krankenhäusern überwinden und nicht ausgelastete
Kapazitäten aufspüren, so das Argument der Kassen. Der Präsident der
Bundesärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, nennt das eine "perverse
Idee". Wahrscheinlich hat er Recht. Bei aller Liebe für das Wechselspiel von
Angebot und Nachfrage: Kein Patient mit akuter Blinddarmreizung oder
einem frischen Herzinfarkt sollte aus dem Notarztwagen heraus erst noch
ein Zertifikat ersteigern müssen. Vielleicht können wir uns in Deutschland auf
eine einfache Regel verständigen: Wenn das Herz rast, ruht die Marktwirtschaft.
Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tagesbeginn. Herzlichst Ihr
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Gabor Steingart
Chefredakteur
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