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Mittwoch, 29. August
2012
Guten Morgen,
"If you have trouble, travel!", sagen die
Amerikaner. Womöglich auch, um der Euro-Krise zu entschweben, heben nachher drei
Regierungsflugzeuge in Richtung China ab. An Bord: Die Kanzlerin, sechs
Minister und die Konzernchefs von Siemens, Volkswagen, Thyssen-Krupp, SAP,
Deutsche Bahn, Trumpf und vielen anderen Firmen. Auch unser
Auslandsressortleiter Mathias Brüggmann ist an Bord. Gemeinsam bereist man jene
Nation, in der sich deutsche Direktinvestitionen wie von Zauberhand in
Gewinne verwandeln. Wenn die Chinesen von Krise sprechen, meinen sie eine
Wachstumsverlangsamung von zwölf auf acht Prozent. Auf Deutsch heißt diese
Krise: Wirtschaftswunder.
Ein Autorenteam unter der Leitung
unserer beiden China-Korrespondenten beschreibt heute auf sechs Sonderseiten den
Stand der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Analysiert werden
die Branchen Maschinenbau, Automobil, Informationstechnologie, Handel,
Flugzeugindustrie und Chemie. 6.000 deutsche Firmen investieren in China. Es
geht um ihre Entwicklungspotenziale. Und immer geht es um die
meistdiskutierte Frage dieser Ausflugsreise: Ist China noch Partner oder
schon Rivale?
In Amerika ernannten die Republikaner heute
Nacht den 65-jährigen Mitt Romney in Tampa im Bundesstaat Florida
offiziell zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Seine Grundsatzrede vor
den über 4.000 Delegierten des Parteitages wird er erst am Donnerstag halten. Am
besten wäre es, der als Langweiler gescholtene Unternehmer und
Ex-Gouverneur würde dann seine Ratgeber ignorieren. Die Zeiten sind aufregend,
man kann auch sagen nervenzerfetzend, genug. Das ist die Stunde der
Langweiler.
Die Fluggäste der Lufthansa müssen sich auf Streiks
einstellen. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo hat ab sofort zu
Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Die Streiks würden alle Standorte betreffen,
örtlich und zeitlich begrenzt sein, aber sie würden nicht im Voraus
angekündigt, sagte Ufo-Chef Nicoley Baublies gestern: "Der Arbeitgeber soll
nicht wissen, wann und wo wir streiken." Dass man den Arbeitgeber im Unklaren
lässt, leuchtet uns zwar ein. Doch schaden werden die Ufo-Aktivisten am
Ende vor allem uns Kunden.
EZB-Chef Mario Draghi hat
überraschend seine Reise zum wichtigsten Treffen der Notenbanker am
Wochenende im amerikanischen Jackson Hole abgesagt. Ein Sprecher der EZB
begründete dies mit der "heftigen Arbeitsbelastung, die für die nächsten
Tage" anstehe. Das EZB-Direktorium wird am 6. September über die weiteren
Schritte in der Geldpolitik beraten. Es wäre billiger für uns Deutsche,
wenn Draghi in die USA fliegen würde.
Der Chef der
Gothaer-Versicherung legt sich mit den Banken an. Werner Görg sagt
im Interview: "Welchen volkswirtschaftlichen Nutzen das
Investment-Banking in den letzten zehn Jahren gestiftet hat, vermag ich auch
bei längerem Nachdenken nicht zu erkennen." Pflichtlektüre für alle
Banker, die den Kontakt zur Wirklichkeit nicht verlieren
wollen.
Gestern erreichten uns Meldungen, dass man die "Financial
Times Deutschland" ausdünnen möchte. Die Zeitung soll unter der Woche nur
noch 20 bis 24 Seiten umfassen. Inmitten einer Weltwirtschaft in Turbulenzen
werden die Leserinnen und Leser damit auf Diät gesetzt. Ich will Sie
nicht zum Wechsel ermuntern, auch um die prekäre Lage unseres Wettbewerbers
nicht zu verschärfen. Aber ich möchte Ihnen anbieten, unsere (doppelt so starke)
Zeitung zusätzlich zu nutzen. Eine Mail an steingart@handelsblatt.com genügt.
Sie bekommen bei mir keinen Grill und keinen Tankgutschein, aber für die
kommenden, die womöglich entscheidenden 100 Tage der Euro-Zone, liefere
ich Ihnen unsere Zeitung frei Haus. In Zeiten wie diesen sollten wir alle
sparen, das ist ja richtig. Aber doch nicht bei der Information und ihrer
Einordnung.
Ich wünsche Ihnen einen fröhlichen Start in den neuen
Sommertag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
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Gabor Steingart
Chefredakteur
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