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Guten Morgen Herr Scaruffi,
seit heute Morgen ist unser Bild von den
Menschen in Baden-Württemberg wieder in Ordnung. Die überwiegende
Mehrzahl im deutschen Musterländle, das mit seinem weltweit einzigartigen
Besatz an Mittelstandsfirmen selbst den Amerikanern Bewunderung abnötigt, hat
nichts gegen den Bau eines modernen Bahnhofs einzuwenden. Nur rund 20
Prozent der Wahlberechtigten stimmten gegen den Aus- und Umbau, die Mehrzahl
votierte dafür oder blieb der Volksabstimmung fern. Offenbar wächst die
Einsicht mit der Entfernung vom Bauzaun.
Was für den grünen
Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wie eine Abmahnung wirkt,
darf Bahnchef Rüdiger Grube als Belobigung verstehen. Er wird
heute in Berlin seine Zukunftsstrategie für Stuttgart erklären. Grube
tritt als Triumphator vor die Presse und muss dennoch alle schauspielerische
Leistung zusammen nehmen, damit es genau so nicht aussieht. Erfolg bedeutet
zuweilen auch, dass man im richtigen Moment die Klappe hält.
Die ohnehin
schon überlange Erfolgsbilanz des Ferdinand Piëch ist seit heute Morgen
weiter gewachsen: Der VW-Patriarch kann endlich seine weltweite Lkw-Allianz
aus VW, Scania und MAN an den Start schicken. Dazu musste Piëch die Probleme
der von Korruptionsvorwürfen geplagten MAN-Tochter Ferrostaal lösen. Das
hat er jetzt dadurch getan, dass er in aller Stille einen neuen Eigentümer
fand. Heute Morgen um 7.45 Uhr erging eine entsprechende Ad-hoc-Meldung
an die internationalen Investoren. Dank einer Indiskretion können Sie
die Exklusiv-Geschichte hinter der Eilmeldung schon heute in unserer Zeitung
lesen - auf Seite 1. Die Überschrift lautet: "Piëch löst Problemfall".
555 Milliarden Euro zahlen die Deutschen im Jahr 2011 an Steuern. Das
ist aus Sicht der Grünen eine zu geringe Summe. Ihr Parteitag beschloss
eine Vermögensabgabe in Höhe von zehn Milliarden Euro jährlich und eine
Erhöhung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42 auf dann 49 Prozent. Ab
einem Jahreseinkommen von 80.000 Euro ist man demnach ein Spitzenverdiener.
Diese Beschlüsse sind vor allem für die FDP ein Segen. Wer vergessen
hatte, wozu Deutschland eine liberale Partei braucht, dem ist es gestern wieder
eingefallen. Wahrscheinlich war Schlitzohr Rainer Brüderle der Ghostwriter der
grünen Leitanträge.
Die Europäische Zentralbank nennt heute
Zahlen zum Geldvolumen in der Euro-Zone für Oktober 2011. Man darf
gespannt sein, in welcher Größenordnung sich die Niedrigzinspolitik und der
Aufkauf notleidender Staatsanleihen in der Geldmenge niederschlagen. In den USA
hat man sich in der Ära Bush Junior entschieden, diese unbequeme Zahl, die
von kommender Inflation kündet, nicht mehr zu veröffentlichen. Die unter
Experten als G3 bezeichnete Ziffer gilt als geheime Kommandosache der Federal
Reserve Bank. Das kann kein Vorbild, sehr wohl aber eine Mahnung sein.
Exzessive Schuldenpolitik und Wählertäuschung sind siamesische Zwillinge.
Demokrat trifft Bürokrat: US-Präsident Barack Obama
empfängt heute in Washington EU-Kommissionspräsident José Manuel
Barroso. Der hat im Schlepptau weitere Europa-Funktionäre wie den ständigen
EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy und die EU-Außenbeauftragte Catherine
Ashton. Da gerade kein Euro-Krisen-Sondergipfel in Sicht war, hat sich der
Brüsseler Wanderzirkus nach Washington zu einem USA-EU-Gipfel aufgemacht.
Für die Amerikaner ist der Kontakt mit uns Europäern ähnlich mühsam wie einst
mit den rivalisierenden Indianerstämmen. Jeder redet, aber keiner hat was zu
sagen. Unser Sitting Bull heiß Barroso.
Ich wünsche Ihnen einen heiteren
Start in diese vorweihnachtliche Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
Gabor
Steingart Chefredakteur
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