Roberto Abraham Scaruffi

Wednesday, 4 July 2012


Mittwoch, 04. Juli 2012
Guten Morgen,
auf Druck der britischen Regierung trat gestern einer der europäischen Top-Banker zurück. Endlich, muss man in diesem Fall sagen. Barclays-Chef Bob Diamond, der die Millionen-Boni seiner Zunft stets leidenschaftlich verteidigte und öffentlich forderte, im Investment-Banking müsse die Zeit der Demut beendet werden, stürzte über eine Affäre der Barclays-Händler, die den sogenannten Libor-Zinssatz manipuliert hatten. Am Libor-Satz hängen weltweit Zehntausende Finanzprodukte im Wert von einigen Billionen Dollar. Einmal mehr fragt man sich, wie die Börsenaufsicht in einen jahrelangen Dornröschenschlaf verfallen konnte.

Zwei Wahrheiten beschäftigen derzeit die deutsche Sozialpolitik: Gestern meldeten die Statistiker eine weiter rückläufige Geburtenzahl - ein Allzeittief. Zugleich aber bewegen sich die familienpolitischen Sozialleistungen auf einem Allzeithoch. Jährlich gibt der Staat über 195 Milliarden Euro für Familienleistungen aus. "Es ist offensichtlich, dass die milliardenschwere Familienförderung nicht dazu führt, dass mehr Kinder in Deutschland geboren werden", sagte CDU-Wirtschaftsexperte Joachim Pfeiffer dem Handelsblatt. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder interpretiert die Zahlen anders: Der Rückgang der Kinderzahl zeige, wie wichtig eine gute Familienpolitik sei. Die verwirrende Wahrheit: Beides ist richtig.

Neue Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigen, dass der Staat 2012 rund eine Milliarde und 2013 sogar 2,7 Milliarden Euro mehr einnimmt als die Steuerschätzung des Bundes bisher prognostizierte. Das sei vor allem auf die deutlich steigenden Löhne zurückzuführen, so das DIW. Umso eher sollte Finanzminister Wolfgang Schäuble über den Erlass von Steuern nachdenken, die dem Wirtschaftsstandort so erkennbar schaden wie die Flugverkehrsabgabe. Alle unsere Fluggesellschaften sind mittlerweile in den roten Zahlen. Aber Schäuble greift dem nackten Mann beherzt in die Tasche.

Der amerikanische Softwarekonzern Microsoft schreibt sechs Milliarden Dollar auf einen Zukauf im Bereich Online-Werbung ab. Offenbar ist auch Firmenchef Steve Ballmer nicht so unfehlbar, wie er glaubt. Als ich ihn vor Jahren in Berlin interviewte, musste das Restaurant geschlossen werden, weil Ballmer alles kann - nur nicht in Zimmerlautstärke sprechen. Gestern schwieg er.

Die große Peugeot-Geschichte ist in einem schwierigen Stadium angekommen. Der französische Familienkonzern rutscht noch tiefer in die Krise. Wegen der Absatzrückgänge in Südeuropa und der Marktabstinenz in den USA soll in Europa jeder zehnte Job gestrichen werden. Die Misere liegt weniger an den Autos als an den Managern. Vielleicht sollten Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn mal für ein paar Monate in Paris aushelfen.

Wenige Tage nach dem EU-Gipfel zur Euro-Krise kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Regierungschef Mario Monti heute erneut zusammen. Eine Nachbereitung des Brüsseler Gipfels steht im Mittelpunkt der deutsch-italienischen Regierungskonsultationen in der römischen Villa Madama. Auf dem EU-Gipfel Ende vergangener Woche hatte Monti seine Interessen zulasten der deutschen Interessen durchsetzen können - und Merkel so in politische Schwierigkeiten gebracht. Auch für die deutsche Kanzlerin gilt jenes Motto, das einst Bill Clinton für sich reklamierte: "Ich verzeihe alles und vergesse nichts."

E-Mail-Terror, Handy-Alarm, Powerpoint-Wahnsinn: Nicht die Möglichkeiten der Technik sind das Problem, sondern der zügellose Umgang damit. Das sagt unsere heutige Gastkommentatorin Marion Schick, Personalvorstand bei der Deutschen Telekom. Entschleunigung sei eine neu zu lernende und zu lehrende Führungskultur, um Erschöpfungskrankheiten zu vermeiden: "Wo Führung versagt, fängt Burn-out (leichter) an."

Ich wünsche Ihnen einen entschleunigten Start in den Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
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Gabor Steingart
Chefredakteur
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Praktiker: Kritische Fragen an den Vorstand
Auf der Hauptversammlung der Baumarktkette muss sich der Vorstand auf kritische Fragen der Aktionäre nach der Zukunft des Unternehmens gefasst machen. Interimschef Kay Hafner legt ein Sanierungskonzept vor, das den Aktionären einiges abverlangt, aber seiner Meinung nach "alternativlos" ist für die Rettung des Unternehmens. Der Vorstand will eine Kapitalerhöhung durchsetzen und erwägt den Einstieg eines Investors. Es ist zu erwarten, dass die Aktionäre ihrem Ärger ordentlich Luft machen werden.

Puma und der BVB - der Beginn einer wunderbaren Beziehung
Heute stellen die Vereinsoberen des Deutschen Meisters Borussia Dortmund und Puma-Chef Franz Koch in Dortmund vor, was sie gemeinsam in den nächsten Jahren erreichen wollen. Ziel der Partner ist es, die Umsätze mit Fanartikeln deutlich zu steigern. Puma hat dazu einen eigenen Showroom am Westfalenstadion eingerichtet.
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EU-Parlament stimmt über Urheberrechtsabkommen Acta ab
Im EU-Parlament wird über das heftig umstrittene Urheberrechtsabkommen Acta abgestimmt. Beobachter rechnen damit, dass eine Mehrheit der Abgeordneten gegen das Abkommen stimmen wird. Christdemokraten wollen die Abstimmung verschieben, um das Vertragswerk doch noch zu retten. Ohne Zustimmung des Parlaments können internationale Abkommen in der EU nicht in Kraft treten. Kritiker von Acta befürchten, dass die Freiheit im Internet eingeschränkt wird. Befürworter argumentieren, das Abkommen verbessere den Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie und schütze damit besser die Urheberrechte im Internet.

Deutsch-italienisches Regierungstreffen - Merkel bei Monti in Rom
In Rom kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Italiens Regierungschef Mario Monti zusammen, um wenige Tage nach dem EU-Gipfel zur Euro-Krise die Ergebnisse nachzubereiten. Zudem stehen Wirtschaftsfragen und dabei vor allem die bilaterale Zusammenarbeit im Mittelpunkt der deutsch-italienischen Regierungskonsultationen. Merkel wird von fünf Fachministern begleitet, unter ihnen Außenminister Guido Westerwelle, Wirtschaftsminister Philipp Rösler sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Spannung vor Veröffentlichung: Elementarteilchen Higgs nachgewiesen?
Die Europäische Organisation für Kernforschung (Cern) präsentiert in Genf weitere Daten zum mysteriösen Higgs-Teilchen. Es gilt als letzter noch unentdeckter Baustein des Standardmodells der Materie. Ein Nachweis für die Existenz des Elementarteilchens wäre eine wissenschaftliche Sensation.
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Hält Griechenland sich an die Sparbeschlüsse, die Bedingung für Hilfsgelder waren? Die neue griechische Regierung hätte gern gelockerte Auflagen. Damit beißt sie bei IWF-Direktorin Christine Lagarde auf Granit. Mehr...
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WORTE DES TAGES

"Wir freuen uns über den Abschluss unserer Verhandlungen und über das gute Ergebnis für beide Seiten."
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Eon-Vorstandsvorsitzender, zur Einigung mit Gazprom über Lieferverträge

"Im Kampf gegen Schattenbanken und Schattenbankengeschäfte ist noch nichts passiert."
Georg Fahrenschon,
Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV)