Roberto Abraham Scaruffi

Tuesday, 1 November 2011


DIENSTAG, 01. NOVEMBER 2011
Guten Morgen Herr XY,
die Nachricht schlug gestern Abend in Europas Hauptstädten ein wie eine Bombe: Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou will sein Volk über den Schuldenerlass abstimmen lassen. Dazu muss man wissen: Die Griechen sind mit einer überwältigenden Mehrheit von fast 90 Prozent gegen Schuldenschnitt und Spardiktat. Der Beschluss des EU-Gipfels, der mit den Banken ausgehandelte Schuldenerlass von 50 Prozent, könnte an dem Referendum scheitern - obwohl Papandreou selbst zugestimmt hatte. Kommentatoren in Athen sprachen gestern Abend von einem "politischen Selbstmord" des Regierungschefs.

Die europäische Staatsschuldenkrise dürfte auch die Amtszeit von Mario Draghi prägen. Der Italiener zieht heute in das Chefzimmer des EZB-Towers in Frankfurt ein und löst dort Jean-Claude Trichet als Präsident der Europäischen Zentralbank ab. Draghi begleitet vom ersten Amtstag an vor allem eines: Skepsis. Er selbst sieht sich als Pragmatiker. Doch das gilt in Kreisen der deutschen Notenbankgouverneure als Codewort für politische Willfährigkeit. Unser heutiger Schwerpunkt beschreibt ihn als Staatenretter, nicht als Inflationsbekämpfer.

Im Sparkassenverband stehen die Zeichen auf Sturm. Am Wochenende gab Bayerns Finanzminister Georg Fahrenschon seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten bekannt. Die größten und entscheidenden Landes-Sparkassenverbände stehen hinter ihm und nicht hinter seinem Gegenkandidaten Rolf Gerlach. Der hat jahrelang die Pleitebank WestLB beaufsichtigt, was ihm nun zum Verhängnis wird.

Eine neue Pleite hat gestern die Wall Street erschüttert: Der Wertpapierhändler MF Global meldete Insolvenz an, es ist die achtgrößte Pleite der US-Geschichte. Das Unternehmen hat sich mit Staatsanleihen aus Europa verspekuliert und sitzt auf einem Schuldenberg von fast 40 Milliarden Euro. Die Geschichte des Untergangs ist auch die Geschichte des ehrgeizigen früheren Chefs von Goldman Sachs: Jon Corzine. Unser Wall-Street-Reporter in New York, Rolf Benders, zeichnet für die heutige Ausgabe unserer Zeitung Aufstieg und Fall dieses Mannes nach.

Unsere Titelgeschichte heißt "Dr. Wolfgang Seltsam" und befasst sich mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der hat seit dem 4. Oktober, womöglich aber auch bereits seit Mitte September, von der 55,5-Milliarden-Fehlbuchung bei der staatlichen Immobilienbank HRE gewusst - und den Vorgang den Parlamentariern verschwiegen. Versehen oder Vertuschungsversuch? Die Analyse unserer Korrespondenten in Berlin und Frankfurt spricht nicht für Schäuble. Mit einem Rechenfehler dieser Größenordnung landet Deutschland in der Griechenland-Liga, zumindest statistisch.

Ich wünsche Ihnen einen heiteren Tag, auch wenn Sie in keinem jener Bundesländer wohnen, in denen der kirchliche Feiertag "Allerheiligen" heute als Staatsfeiertag begangen wird. Das säkulare Leben hat auch seine Nachteile. Es grüßt Sie herzlich Ihr

Gabor Steingart
Chefredakteur
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Dr. Wolfgang Seltsam
Rätselraten um Finanzminister Wolfgang Schäuble: Der hat von der Fehlbuchung in Höhe von 55 Milliarden Euro bei der staatlichen Immobilienbank gewusst - und den Vorgang den Parlamentariern wochenlang verschwiegen. Versehen oder Vertuschungsversuch?.

Draghi stößt auf Skepsis
Der italienische Notenbankchef Mario Draghi tritt heute sein Amt als EZB-Chef an.

Stunde Null in Athen
Der griechische Premierminister Giorgos Papandreou will überraschend das Volk in einem Referendum über den Schuldenschnitt abstimmen lassen. Die meisten Griechen sind aber dagegen.

Euro-Krise wirft US-Broker um
MF Global meldet nach verlustreichen Wetten auf Euro-Anleihen Insolvenz an.

Air-Berlin-Chef: "Wir müssen kämpfen"
Die zweitgrößte deutsche Airline steckt in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wie Vorstandschef Hartmut Mehdorn eingesteht.

Finanzinvestor steigt bei Bilfinger ein
Cevian Capital wird mit fast 13 Prozent der Anteile Großaktionär des Baukonzerns.

Erste Kraftwerke für Wüstenstrom
Für das Megaprojekt Desertec werden nun auch die ersten Solaranlagen in Algerien vorbereitet.

Anschlag auf das Jobwunder
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisiert im Gastbeitrag den Schwenk der CDU hin zum Mindestlohn.

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Schäuble erwartet Rekordeinnahmen
Am Mittwoch startet die Steuerschätzung. Die Vorlage, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt, verspricht sehr gute Nachrichten. Auch der Blick in die Zukunft dürfte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gefallen.
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Die Favoriten unserer Leser
MF Global
Euro-Krise stürzt US-Broker in die Pleite
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Griechenland
Das Volk soll über das Hilfspaket abstimmen
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Autobauer
Die große Rabattschlacht um die Gunst der Kunden
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"Unfassbare Fehler"
Affäre HRE wird zur Affäre Schäuble
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Jens Weidmann
Die Architektur der Währungsunion bleibt unklar
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Dax erwartet den nächsten Tiefschlag
Die Stimmung an der Börse ist erneut gekippt. Die Hoffnung der vergangenen Woche musste neuen Zweifeln weichen. Und aus den USA kommt die nächste Hiobsbotschaft. Den Dax drückt das zurück in Richtung 6.000 Punkte.
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Diskussion über Nachtflugverbot
Ein Gericht hat vorerst die Nachtflüge am Frankfurter Flughafen gestoppt. Der hessische Landtag tagt in einer Sondersitzung zu dem Thema.

Schäuble und die HRE
Die staatliche HRE verrechnet sich um mehrere Milliarden - und Finanzminister Wolfgang Schäuble schweigt. Während viele Bundesländer in Feiertagsstimmung sind, geht in Berlin die Diskussion weiter: Was wusste Schäuble?
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Credit Suisse baut 1500 Stellen ab
Die Schweizer Großbank Credit Suisse hat im dritten Quartal einen Gewinn von 683 Millionen Franken (rund 562,3 Millionen Euro) präsentiert - und liegt damit weit unter den Erwartungen der Analysten. Darum wird das Sparprogramm nun verschärft - rund 1500 weitere Stellen sollen gestrichen werden. Außerdem sollen Risiken in der Investmentsparte minimiert werden.

Cyberspace-Konferenz in London
Die internationale Cyberspace-Konferenz zu sozialen, ökonomischen und Sicherheitsaspekten rund um das Internet beginnt gegen zehn Uhr. Mit dabei sind unter anderem die Außenminister Hillary Clinton (USA), William Hague (Großbritannien) und Carl Bildt (Schweden).

Türkei empfängt Karsai
In Istanbul trifft der afghanische Präsidenten Hamid Karsai heute mit seinen pakistanischen und türkischen Amtskollegen, Asif Ali Zardari und Abdullah Gül zusammen. Der Gipfel findet vor der Regionalkonferenz zu Afghanistan am Tag darauf statt.
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HP verliert Technologiechef
Das Stühlerücken geht weiter: Hewlett Packard verliert seinen technologischen Vordenker. Der Chief Technology Officer der PC-Sparte, Phil McKinney, wird das Unternehmen nach neun Jahren verlassen.
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Kundengelder in Millionenhöhe bei MF Global vermisst
Derivate-Broker MF Global hat sich am Euro-Markt verzockt und muss nach Milliardenverlusten in die Insolvenz flüchten. Nun gerät das Finanzunternehmen unter Verdacht, Geld zur Seite geschafft zu haben.
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USA kritisieren Transaktionssteuer
Kurz vor dem G20-Gipfel in Cannes beginnt der Streit um die Beteiligung der Finanzindustrie an den Krisenfolgen. Die USA kritisieren das europäische Modell einer Transaktionssteuer. Eine Gebühr sei die bessere Variante.
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Kurseinbrüche an der Wall Street
Die politische Krise in Griechenland belastet die Kurse an der Wall Street. Weil der Euro-Rettungsplan wankt, verliert der Dow Jones mehr als zwei Prozent. Vor allem Bankaktien stehen auf der Verkaufsliste.
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Pfizer meldet ein leichtes Gewinn-Plus im dritten Quartal
Der weltgrößte Pharmakonzern Pfizer präsentiert seine Zahlen für das dritte Quartal. Analysten erwarten einen Gewinn pro Aktie in Höhe von 56 Cent - das wäre ein Plus von 3,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Investoren interessieren sich vor allem dafür, wie der Konzern mit der zunehmenden Konkurrenz von Generika-Herstellern umgeht und wie sich die Krise in Europa auf Medikamentenverkäufe ausgewirkt hat.

Amerikaner kaufen wieder mehr Autos
In den USA werden die Auto-Absatzzahlen für den Monat Oktober veröffentlicht. Ökonomen von Analyse-Haus IHS rechnen damit, dass die Autoverkäufe leicht angestiegen sind - von 13 Millionen auf eine annualisierte Rate von 13,1 Millionen Fahrzeuge. Der Automarkt gilt als ein wichtiger Motor für die US-Wirtschaft und leidet unter der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit.
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"Shenzhou 8" startet erfolgreich ins All
Erstmals fliegt ein chinesisches Raumschiff mit einer deutschen Versuchsanlage ins All. Außerdem ist Chinas erstes Rendezvous im All geplant: Das "Magische Schiff" trifft das Raummodul "Himmelspalast".
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Nikkei folgt dem globalen Abwärtstrend
Die Sorgen über die Schuldenkrise in Europa und die Insolvenz des US-Brokerhauses MF Global belasten auch die asiatischen Börsen. In Tokio und Hongkong geben die Kurse kräftig nach. Immerhin: Der Yen zeigt sich stabil.
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FÜR SIE GELESEN - HANDELSBLATT PRESSESCHAU
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Die internationale Wirtschaftspresse ist besorgt angesichts der geplanten Volksabstimmung über das Rettungspaket in Athen.

Der griechische Premier Giorgos Papandreou habe Europa mit seiner Ankündigung schockiert, schreibt das Wall Street Journal. Ein Referendum drohe die internationalen Anstrengungen der Krisenbewältigung zu untergraben. Ein "Nein" könne die Regierung zu Fall bringen und die internationale Finanzierung für das Land abschnüren. "Dadurch wäre das Land mit einer finanziellen Kernschmelze konfrontiert", warnt das Blatt.

Auch die Financial Times Deutschland sieht die überraschende Entscheidung von Giorgos Papandreou als "enormes Risiko" an. "Sollte das Rettungspaket im Referendum abgelehnt werden, hätte das unabsehbare Folgen für den Euro und die Staaten der Euro-Zone", schreibt das Blatt. Die künftige Finanzierung wäre wieder völlig offen. Im schlimmsten Fall drohe der Staatsbankrott.

Der britische Guardian findet den "Ausbruch demokratischen Geistes" zunächst lobenswert. Doch es bleibe unklar, welche Frage die Griechen beim Referendum beantworten müssten und ob Papandreou seinen Plan gegenüber Sarkozy und Merkel erwähnt habe. Die bisherige Stille aus Berlin und Paris lasse dies nicht vermuten. "Kann die EU weiterhin Gelder einem Land zuteilen, von dem man nicht weiß, ob es die Bedingungen des Kreditpakets doch nicht akzeptieren will?", fragt die Zeitung.
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