Roberto Abraham Scaruffi

Thursday, 24 November 2011


DONNERSTAG, 24. NOVEMBER 2011
Guten Morgen,
"Wer regiert Europa?" ist unsere Titelgeschichte überschrieben. Sie handelt vom gestern offensichtlich gewordenen Machtkampf zwischen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, der erneut für die Einführung von Euro-Bonds warb, und Kanzlerin Angela Merkel, die schon diese Dauerwerbetour des Portugiesen ungebührlich findet. Sie sagte: "Ich halte es für äußerst unpassend, dass die Kommission heute Euro-Bonds vorschlägt." Er erwiderte, dass der Bundesregierung der "angemessene Respekt vor den Europäischen Institutionen fehlt". Vordergründig geht es um den richtigen Weg zur Euro-Rettung. In Wahrheit aber darum, wer in Europa Koch und wer Kellner ist. Machtpolitisch gleicht Europa derzeit einer Gemeinschaftsküche: Alle wollen kochen und keiner spülen.

Dieses Wort hatten wir im Zuge des Superaufschwungs vergessen: Arbeitsplatzabbau. Nokia Siemens Networks streicht 17.000 Arbeitsplätze. Bis Ende 2013 muss nahezu jeder vierte der 74.000 Mitarbeiter gehen. Hinzu kommen drei weitere Branchen mit deutlichen Überkapazitäten: Die Energiekonzerne sind nach der Energiewende gezwungen, rote Listen anzufertigen. Eon will sich von 11.0000 Mitarbeitern trennen. Die Banken müssen nach den Jahren des Investmentbooms und unter dem Diktat strengerer Eigenkapitalregeln ebenfalls abspecken. Und: Im Einzelhandel fordert der Onlinehandel seinen Tribut. "Das Gespenst der Nutzlosigkeit", von dem der US-Soziologe Richard Sennett einst sprach, kehrt in unsere Wohnquartiere zurück.

Gute Nachricht aus Griechenland. Oppositionsführer Antonis Samaras, der mit Ex-Regierungschef Giorgos Papandreou in Harvard einst die Studentenbude teilte, bekennt sich nun auch zum Sparkurs. Nach anderthalb Jahren der Fundamentalopposition lässt er die Konservativen auf die Regierungslinie einschwenken. Das löst die Probleme nicht, aber es lindert sie. Eine Große Koalition wäre das Beste, was den Griechen passieren könnte. Wenn man ehrlich ist, gilt das auch für Deutschland.

Gemeinsam mit dem Handelsblatt prämiert der "Elite Report" die besten Vermögensverwalter. Wir drucken das Ranking, weil es sich bei unseren Lesern großer Beliebtheit erfreut. Doch man hätte es diesmal mit Fug und Recht auch ausfallen lassen können. Die meisten Vermögensverwalter waren in diesem Jahr Vermögensvernichter: Im Durchschnitt aller untersuchten Geldhäuser war ein Verlust von fünf Prozent zu konstatieren. Omas Sparstrumpf wäre im Jahr 2011 die deutlich lohnendere Alternative gewesen: Dort verlor der Sparer Geld maximal in Höhe der Inflationsrate, also nur 2,4 Prozent. Eigentlich hätte Oma die Goldmedaille als "Bester Vermögensverwalter" verdient.

Für Ex-Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer wird der Gerichtssaal zur zweiten Heimat. Heute muss er wegen versuchten Prozessbetrugs vor dem Landgericht München I erscheinen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Banker vor, 2003 in einem der vielen Zivilverfahren rund um die Milliardenpleite des inzwischen verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch die Unwahrheit gesagt zu haben. Selbst für den Nichtjuristen drängt sich der Eindruck auf, dass diese Angelegenheit für Breuer kein gutes Ende nehmen wird.

In der Plagiatsaffäre hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eingestellt. Das politische Naturtalent wird nun einen politischen Comeback-Versuch starten. Selbst seine Freunde und Gönner sagen: Es ist dafür noch zu früh. Der größte Gegner des Ehepaars zu Guttenberg war und ist seine (und ihre) Ungeduld. Oder um es mit Wilhelm Busch zu sagen: "Der Ungeduldige fährt sein Heu nass ein."

Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Gabor Steingart
Chefredakteur
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Wer regiert Europa?
Gestern kam es erstmals zu einem öffentlich ausgetragenen Schlagabtausch zwischen Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Beide wollen Europa retten - doch auf höchst unterschiedliche Weise.

T-Mobile-Deal stößt auf Vorbehalte
Jetzt sperrt sich auch der oberste US-Regulierer gegen den Verkauf der Telekom-Tochter an den US-Konkurrenten AT&T.

Nokia Siemens Networks streicht 17.000 Arbeitsplätze
Mit einem drastischen Personalabbau will der Netzausrüster endlich in die schwarzen Zahlen kommen. Bis Ende 2013 muss nahezu jeder vierte der 74.000 Mitarbeiter gehen.

Chinas Konjunktur kühlt sich ab
Obwohl wichtige Konjunkturindikatoren nach unten weisen, rechnen Ökonomen nicht mit einem Absturz der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Samaras bekennt sich zu Sparkurs
Der Chef der griechischen Konservativen schwenkt doch noch auf die Regierungslinie ein.

ZDF plant Allianz mit Privatsendern
Intendant Markus Schächter kündigt im Interview eine Strategie gegen die Konkurrenz von Apple, Google & Co. an.

Gefährliche Banken-Schrumpfkur
Um ihre Kapitalpolster zu stärken, müssen die Banken im Eilverfahren Risiken abbauen. Die Folge könnte eine Kreditklemme sein.

Die besten Geldmanager
Gemeinsam mit dem Handelsblatt prämiert der "Elite Report" die besten Vermögensverwalter.

Guttenberg muss nicht vor Gericht
In der Plagiatsaffäre hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den früheren Verteidigungsminister eingestellt.

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Mittagessen mit Merkel
Euro-Bonds, die Rolle der EZB, Änderungen am EU-Vertrag: Zu besprechen haben Europas Spitzenpolitiker derzeit wahrlich genug. Am Mittag geht es beim Dreiergipfel zwischen Deutschland, Frankreich und Italien weiter.
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"Niemand ist so blöd, eine globale Depression zu riskieren"
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Heiße Wette auf Commerzbank-Aktien
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Auktions-Flop
Anleger boykottieren deutsche Staatsanleihen
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Norbert Walter im Interview
"Die Party für Anleger ist vorbei"
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Dax-Anleger hoffen auf Merkel und Sarkozy
Die Verlustserie beim Dax könnte sich fortsetzen. Anleger schauen nach Straßburg, wo sich die Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Italien treffen. Der Druck steigt, das Risiko weiterer Kursabschläge auch.
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Geschäftsklima trübt sich weiter ein
Der monatliche Frühindikator der Münchener Wirtschaftsforscher dürfte im November weiter gesunken sein. Analysten gehen davon aus, dass die Werte sowohl für die Beurteilung der aktuellen Lage als auch der Erwartungen weiter zurückgegangen sind.

Warum wächst die deutsche Wirtschaft?
Vor allem Verbraucher in Kauflaune schoben das deutsche Wirtschaftswachstum im dritten Quartal an - so viel hat das Statistische Bundesamt schon verraten. Heute erklärt die Wiesbadener Behörde im Detail, warum Deutschland mitten in der Schuldenkrise bislang floriert hat. Nach den bisher vorgelegten Daten legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) preis-, saison- und kalenderbereinigt im dritten Quartal zum Vorquartal um 0,5 Prozent zu. Im Jahresvergleich ergab sich ein Wachstum von 2,5 Prozent, nach 3,0 Prozent im Vorquartal. Ökonomen rechnen auf dieser Grundlage damit, dass Deutschland im Gesamtjahr 2011 noch ein Plus von 3,0 Prozent erreichen kann.

Berliner Abgeordnete wählen Regierenden Bürgermeister
Das Berliner Abgeordnetenhaus wählt den Regierenden Bürgermeister. Einziger Kandidat ist Klaus Wowereit (SPD), der sich zum vierten Mal zur Wahl stellt. Angesichts der komfortablen Mehrheit der rot-schwarzen Koalition gibt es keine Zweifel an seiner Wahl.

Strafprozess gegen Breuer startet
Ex-Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer steht von heute an wegen versuchten Prozessbetrugs vor dem Landgericht München I. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Banker vor, 2003 in einem der vielen Zivilverfahren rund um die Milliardenpleite des inzwischen verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch gelogen zu haben. Breuer wies die Vorwürfe bisher zurück. Der Auftakt ist bereits der zweite Anlauf für das mit Spannung erwartete Verfahren, nachdem Mitte August der erste Versuch nach einer Justizpanne vertagt wurde.
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Mini-Gipfel mit Sarkozy, Merkel und Monti
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Italiens neuer Regierungschef Mario Monti treffen sich zu einem Mini-Krisengipfel in Straßburg. Für Monti ist dies Gelegenheit, seinen Partnern aus Paris und Berlin die Bemühungen Roms zur Eindämmung der Euro-Krise zuzusichern. Die Bundeskanzlerin bleibt bei ihrem Nein zu Euro-Bonds. Umstritten ist auch der massive Aufkauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank EZB. Was eine Änderung der Verträge zur stärkeren Haushaltskontrolle anbelangt, so scheint eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich möglich.

EU-Kommission entscheidet über Klage gegen VW-Gesetz
Die EU-Kommission entscheidet über ein juristisches Vorgehen gegen Deutschland wegen des VW-Gesetzes. Trotz heftiger Kritik der niedersächsischen Landesregierung und der IG Metall will die EU-Behörde erneut vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ziehen. Der Vorwurf lautet, die Bundesrepublik verletze den EU-Vertrag. In letzter Konsequenz drohen Deutschland Bußgelder. Dabei geht es um die Sperrminorität, die dem Land Niedersachsen mit einem Anteil von gut 20 Prozent bei dem Wolfsburger Autobauer garantiert ist. Nach Ansicht von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier widerspricht diese Praxis dem Geist des europäischen Binnenmarktes.

Osteuropageschäft belastet Raiffeisen Bank International
Die Geschäftsentwicklung für die stark in Osteuropa tätigen österreichischen Banken trübt sich weiter ein. Deshalb wird die Raiffeisen Bank International heute ein Ergebnis für das dritte Quartal vorlegen, das nicht mehr an die guten Zahlen des Vorjahres anknüpfen kann. Im Unterschied zu den österreichischen Konkurrenten Erste Bank und Bank Austria wird Raiffeisen aber immerhin noch einen Gewinn präsentieren können.
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Microsoft schaut in Yahoos Bücher
Der Internetpionier Yahoo steckt tief in der Krise. Mehrere Finanzinvestoren umkreisen den Konzern. Zu ihnen gesellt sich offenbar Microsoft. Der Computerriese hat bereits einmal vergeblich versucht, Yahoo zu übernehmen.
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Facebook zeigt Rivalen auf Merck-Profil
Versagt Facebook? Der deutsche Pharmakonzern Merck hat entdeckt, dass auf Facebook plötzlich die Seite eines gleichnamigen US-Unternehmens erscheint - es ist ausgerechnet ein Konkurrent. Ein Gericht soll den Fall klären.
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Europa und China stürzen Wall Street ins Minus
Die Euro-Schuldenkrise und schwache Konjunkturdaten aus China haben die US-Börsen am Mittwoch erneut belastet. Zudem gerieten die Papiere von US-Banken unter Druck. Alle wichtigen Indizes verzeichneten herbe Verluste.
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Suzuki zitiert VW vor den Schlichter
Ende eines Traumpaars: Mit großen Hoffnungen sind Suzuki und VW eine Partnerschaft eingegangen. Erste Risse bekam sie bereits im Jahr 2010. Nun läutet Suzuki den Anfang vom Ende ein.
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Starkes Erdbeben in Fukushima
Die Menschen in Japans Katastrophenregion kommen nicht zur Ruhe: Erneut erschütterte ein starkes Beben die Gegend um das Atomkraftwerk Fukushima. Doch kamen die Menschen wohl mit dem Schrecken davon.
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Nikkei geht erneut auf Tauchstation
Nach einem Feiertag kommen die Händler zurück an die Börse in Tokio - und schauen auf düstere Nachrichten. Die Schuldenkrise in Europa hängt weiterhin wie eine Wolke über dem Handel. Gewinne macht hingegen die Olympus-Aktie.
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FÜR SIE GELESEN - HANDELSBLATT PRESSESCHAU
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Gibt die deutsche Kanzlerin ihren Widerstand gegen Euro-Bonds bald auf? Die internationalen Medien zeigen sich unentschieden. Einerseits dränge die Zeit, andererseits drohe eine Wahlniederlage.

Noch nie in der EU-Geschichte habe ein deutscher Regierungschef einen Präsidenten der Kommission öffentlich dermaßen abgewatscht, wie Angela Merkel dies nun mit José Manuel Barroso hinsichtlich der Euro-Bonds getan habe, vergleicht die Süddeutsche Zeitung. Schuld an der Eskalation sei allerdings der Portugiese. Statt Brücken nach Berlin zu bauen, habe Barroso eine Tür zugeschlagen.

Das ZDF erkennt im Veto von Angela Merkel zu den Vorschlägen von Europas Kommissionschef José Manuel Barroso die "Wiedergeburt der 'Mrs. No'", die mit deutschem Geld nicht für die Fehler der Nachbarn einstehen wolle.

Das Wall Street Journal geht nicht davon aus, dass Berlin auf die Linie von Barroso einschwenken wird. Merkel gehe es aktuell primär um die nächsten Wahlen, weshalb sie bei ihrer Haltung bleiben werde, dass die EU-Verträge zunächst geändert werden müssten. Doch solche Änderungen dauerten oft Jahre, hält das Blatt dagegen. "Berlin bevorzugt zwar vielleicht diesen Weg, aber am Ende könnte er sich als viel zu lang herausstellen."

Die Börsen-Zeitung lobt die Standhaftigkeit der Kanzlerin. Merkel gehe es um eine "ursachengerechte und langfristige Lösung" für die Euro-Krise - das verlorene Vertrauen in Gläubigerstaaten mit hoher Verschuldung sei nur durch Etatdisziplin zurückzugewinnen. Mit einer "wunderbaren Geldvermehrung" via Notenpresse oder Gemeinschaftsanleihen könne dies allenfalls kurzfristig gelingen.
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