Roberto Abraham Scaruffi

Thursday, 26 January 2012


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Davos: Kapitalismus-Kritik und Berlin-Bashing
Der Aufmarsch der Entscheider in Davos ist auch in diesem Jahr ein Defilee der Meinungen und Positiönchen zu den Problemen der Welt: US-Ökonom Nouriel Roubini (Foto: Mitte) malt erwartungsgemäß schwarz: Die G20 sei ein Papiertiger, der in Wahrheit G0 heißen müsste - zu groß seien die Differenzen in allen zentralen politischen und wirtschaftspolitischen Fragen » (NZZ). Das Kontrastprogramm kommt von Renault-Chef Carlos Ghosn, der zur Krise meint: "Wir werden uns schon durchwursteln und irgendwie wieder rauskommen." » (WSJ D) Investorenlegende George Soros (rechts) betreibt an den Alpen Deutschland-Bashing: Berlin diktiere eine Politik, die in eine Schuldenspirale mit deflationären Folgen führe » (FTD). Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard blickt gen Nahen Osten: Die Eliten müssten das Internet als Resonanzboden für Proteste auch im Westen ernst nehmen » (FTD). Zentrales Thema in der Schweiz: Wie steht's um den Kapitalismus? Als einer der wenigen bekennt sich Urs Rohner (links), Verwaltungsratspräsident der Großbank Credit Suisse, zum System: "Ein dritter Weg ist nicht notwendig", diktiert Rohner der » Welt in den Block, man müsse nur "das System in einigen Punkten an die neuen Gegebenheiten anpassen". Auf dem » Time-Podium versichert Bank of America-CEO Brian Moynihan, das Korrektiv für den Kapitalismus sei "Boom and Bust". Im » Harvard Business Manager plädiert Starbucks-Kaffeeröster Howard Schultz dafür, dass Unternehmen den Kapitalismus neu erfinden, indem sie mit Kommunen kooperieren.
Davos: Abschied von der Hybris
Und wie lauten die Einschätzungen der Medien aus Davos? Die » Handelszeitung aus der Schweiz entlarvt den Weltverbesserungsgipfel als "Basar der Eitelkeiten mit gehobenem Rahmenprogramm". » Reuters meint, Risiko-Management-Protokolle hätten die Davoser Hybris abgelöst. Die » Wirtschaftswoche beobachtet, dass die durch die Finanzkrise verschärfte globale Vertrauenskrise auf Davos überspringe: Die Journalisten fänden nur wenig in Sachen Vertrauen und Werte zu berichten. Der » Spiegel besucht die tief eingeschneiten Occupy-Aktivisten in Davos. Seltsam sei das Verständnis, auf das die Protestler fast überall stießen. » Marketwatch besucht das Camp der Promis, die sich beschwerten, zu wenig Zeit zum Skifahren in Davos zu haben.
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NEWS
Geldschleusen bleiben offen
Der Offenmarktausschuss der US-Notenbank hat am Mittwoch in Washington entschieden, den Leitzins bis Ende Jahr 2014 hinein niedrig zu halten. Novum: Erstmals in der Geschichte will die Notenbank künftig ihre Geldpolitik an einem konkreten Inflationsziel orientieren. » (Handelsblatt) Das » Wall Street Journal vermutet, die Fed habe nichts zu verlieren: Sollte es der Wirtschaft 2014 immer noch schlecht gehen, würde ein niedriger Leitzins helfen; sollte sich aber die Wirtschaft bis dahin grundlegend erholt haben und die Fed gezwungen sein, ihre Taktik zu überdenken, werde sie ohnehin in einer sehr günstigen Position ein. » Bloomberg wirft die Frage auf, ob sich Bernanke wie ein "Dummkopf unter der Dusche" verhalte. » Forbes schimpft darüber, dass die Federal Reserve eine ungerechte Umverteilung des Geldes von der älteren Generation hin zur jüngeren vornehme.
Ultrareiche im Visier
Die Zahlen sind aufsehenerregend: Je 30.000 Jobs wollen HSBC und die Bank of America streichen. Bei Credit Suisse und UBS sollen rund 3500 Arbeitsplätze wegfallen. Am stärksten betroffen ist das Investment-Banking. Die Schweizer Großbanken wollen sich daher stärker ihrem Kerngeschäft widmen: der Vermögensverwaltung für reiche Privatkunden. Doch auch die Paradedisziplin der Schweizer Banken steckt in der Krise.
» Handelsblatt
Jagd auf den IPO-Wal
Wer macht das Rennen rund um den Börsengang von Facebook? Das » Wall Street Journal zeigt, wie sich das Technologie-Team von Morgan Stanley darum bemüht, den voraussichtlich milliardenschweren IPO als Bank begleiten zu dürfen. Angeblich habe der Rivale Goldman Sachs inzwischen schlechte Karten.
Fauler alter Kontinent
Eines der größten Probleme Europas ist einer Studie der Weltbank zufolge die geringe Lebensarbeitszeit und die daher sinkende Produktivität. "Die Europäer arbeiten weniger Stunden pro Woche, weniger Wochen pro Jahr und weniger Jahre ihres Lebens als Arbeitnehmer in anderen Regionen der Welt", heißt es in der Untersuchung der in Washington ansässigen Organisation.
» Handelsblatt » Welt
Shortcuts aus der Finanzbranche
Die bayerischen Sparkassen können einen nachträglichen Beitrag zur Stützung der BayernLB aus eigener Kraft stemmen. » FTD Der Bundestag hat bei der Bankenrettung künftig ein gewichtiges Wort mitzureden. » HB Laut einer Umfrage haben die 2011 durchgeführten Stresstests der Europäischen Bankenaufsicht EBA die Vertrauenskrise eher verschlimmert, statt die Finanzmärkte zu stabilisieren. » BZ Die Abwertung von Österreich hatte keinen Einfluss auf die Bonitätsnote der österreichischen Banken. » HB US-Finanzaufseher untersuchen den Bankenriesen HSBC wegen des Verdachts der Geldwäsche. » WSJ Die Raiffeisen-Gruppe ist bei der von den europäischen Regulierern geforderten Aufstockung ihrer Kapitaldecke bereits ein gutes Stück vorangekommen. » HB Die italienische Großbank Unicredit will Hybridanleihen für bis zu drei Milliarden Euro zurückkaufen. » FTD
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FEEDBACK - meistgeklickter Link der vorherigen Ausgabe
Fondsbranche rechnet mit Anlegerprozessen
..... Der » Spiegel erläutert hingegen, wie das Zocken der Hedge-Fonds mit der Griechenpleite funktioniert. » Handelsblatt (kostenloses Probeabo)
HEUTE IM HANDELSBLATT
Titel: Auch Überzeugungstäter sind Täter
Politik: "Wir brauchen längere Arbeitszeiten"
Unternehmen: Verstörender Erfolg
Finanzen: Ringen bis zur letzten Minute
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MENSCHEN UND MEINUNGEN
Merkel in die Führung
Robert Zoellick, Präsident der Weltbank, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel in der » Financial Times ein durchwachsenes Zeugnis ausgestellt. Ihrem Drängen auf mehr Haushaltsdisziplin und den Fiskalpakt applaudiert der Weltbanker. Ermahnt die Regierungschefin aber andererseits, in der Euro-Krise die Führung zu übernehmen. Der » Guardian bezeichnet Angela Merkels Rede zur Rettung des Euros in Davos als "solide, wie ein Mercedes" - und diesmal hätten das die Zuhörer auch geglaubt.
Big Brother der Banken kapituliert
Jochen Sanio, scheidender Chef der Finanzausicht Bafin, übergibt sein Amt mit einer ernüchternden Bilanz an die Nachfolgerin Elke König. In seinen 37 Jahren als Aufseher habe sich die Branche zu einem hoch komplexen Gebilde entwickelt, das sich nicht mehr beherrschen habe lassen - nach der Finanzkrise 2008 sei eine Chance verpasst worden » (FTD). Deutschen Bankvorständen und den Aufseher-Kollegen von Elke König könnten in den internationalen Gremien konfliktfreiere Zeiten bevorstehen, ahnt die » Wirtschaftswoche - die neue Oberaufseherin schlage deutlich sanftere Töne an als Sanio.
Zockerei am Zapfhahn
David Einhorn, Hedge-Fonds-Manager bei Greenlight Capital, erlangte Branchen-Berühmtheit, als er einst erfolgreich auf die Lehman-Pleite wettete. Laut » Wall Street Journal hat die britische Finanzaufsicht Einhorn wegen Marktmissbrauchs zu einer Geldstrafe von umgerechnet 8,4 Millionen Dollar verurteilt. Es geht um Insiderhandel beim Kneipen-Betreiber Punch Taverns.
Weitere Links: » New York Times » Financial Times
Staatsbanker fürstlich belohnt
Robert Benmosche, Chef des staatlich gestützten US-Versicherungsgiganten AIG, hat entgegen der Versprechen von Barack Obama in den vergangenen Jahren Millionengehälter bezogen. Die Generalinspekteurin für den US-Rettungsfonds Tarp berichtet, das US-Finanzministerium habe seit Anfang 2009 für 49 Manager Gehaltspakete im Wert von fünf Millionen Dollar und mehr gebilligt - der AIG-Chef habe sogar mehr als zehn Millionen Dollar kassiert.
» FTD
"Swiss Mitt" in der Schusslinie
Mitt Romney, republikanischer Präsidentschaftskandidat, steht wegen eines Schweizer Bankkontos unter Druck. Der von US-Medien kurzerhand in "Swiss Mitt" umgetaufte Möchtegern-Obama-Rivale ließ sein Wahlkampfteam erklären, nicht er selbst, sondern ein "blind trust" habe treuhänderisch drei Millionen Dollar seines Familienvermögens auf einem UBS-Konto angelegt, meldet die » NZZ. Die » Handelszeitung berichtet von Geschäften Romneys in Steueroasen und mit Hilfe verschachtelter Finanzkonstrukte. Er habe auch Geschäfte mit der Deutschen Beteiligungs AG in Frankfurt gemacht. In der » Frankfurter Rundschau widerspricht Paul Krugman Romneys Auffassung des Präsidentenamts als Unternehmensführung. Romney sei außerdem zu gierig.
Abschied des Daten-Boten
Hermann Lei hat sein Amt als Mitglied der Justizkommission niedergelegt. Hintergrund sind Berichte, nach denen der Anwalt die gestohlenen Bankdaten seines Bekannten von der Bank Sarasin manipuliert und an die Politik weitergegeben haben soll. Ihn erwartet auch eine Strafuntersuchung wegen Verstoßes gegen das Bankengesetz » (HZ). Die » Handelszeitung widmet sich auch dem Ex-Bankier und früheren Whistleblower Rudolf Elmer, der inzwischen Gleichgesinnte berät.
Nachspiel der Fannie-Vergangenheit
Daniel H. Mudd, früherer Chef des vom Staat übernommenen Immobilienfinanzierers Fannie Mae und zuletzt Board-Mitglied bei der alternativen Investmentfirma Fortress Investment Group, zieht sich laut » Financial Times zurück. Hintergrund: Die US-Börsenaufsicht wirft Mudd und anderen Ex-Fannie-Managern vor, Investoren über den wahren (desolaten) Zustand des Immobilienfinanzierers belogen zu haben.
Flugzeuge statt Geldschleusen
Jean-Claude Trichet, früherer EZB-Präsident, hat offenbar eine neue Aufgabe gefunden: Nach einem Bericht der französischen Zeitung » Les Echos wird Trichet neues Mitglied im Verwaltungsrat beim Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS . Seine Nominierung solle am Donnerstag bei einer Sitzung des Verwaltungsrats beschlossen werden. Die Änderungen an der Konzernspitze würden aber nicht vor der Aktionärsversammlung am 31. Mai in Kraft treten.
Ich bin dann (bald) mal weg
Timothy Geithner, Finanzminister der USA, war eine der Schlüsselfiguren bei der Bewältigung der Finanzkrise. Doch mit dem Amt wird bald Schluss sein, sagte Geithner dem Fernsehsender » Bloomberg TV. Er erwarte nicht, dass Obama ihn im Falle einer Wiederwahl fragen werde, ob er Finanzminister bleiben wolle - also werde er danach "etwas anderes" machen.
ZUGABE - worüber die Finanzwelt schmunzelt
Digitale Lawine im Bundestag
#Babette und #Kürschnergate haben gestern auf Twitter die Runde gemacht. Gemeint mit den Hashtags ist ein Vorfall im Bundestag: Die Mitarbeiterin einer Grünen-Abgeordneten bat eine Kollegin per Mail, ihr ein Exemplar des neu erschienenen Bundestagshandbuch, des "Kürschners", mitzubringen. Blöderweise verschickte sie die Mail in Kopie ("cc") an alle Adressaten, insgesamt um die 4000, im Bundestagsverzeichnis - vom Minister bis zum Pförtner. Als sich Hunderte angesprochen fühlten und antworteten, wieder im Riesen-Verteiler, wurde ein Schneeball-Effekt ausgelöst. Schließlich sei immer mehr Nonsens versendet worden ("Ich grüße meine Mutti", "In Hannover-Linden sind drei Grad, es ist trocken und leicht bewölkt")...
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