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Guten Morgen,
Europa wächst zusammen, der
deutsch-französische Flugzeugkonzern EADS aber nicht. Wiedermal wird um
Macht und Posten gepokert. Die Franzosen gehen dabei so weit, die
zwischen Berlin und Paris verabredete Ernennung des deutschen Airbus-Chefs
Tom Enders zum Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns EADS zu
boykottieren. Lesen Sie alle Details dazu in unserer Titelgeschichte
"Machtpoker bei EADS", die einmal mehr Charles de Gaulle
bestätigt, der gesagt hat: "Staaten besitzen keine Freunde, nur Interessen."
Die menschliche Katastrophe vor der italienischen Küste hat auch
eine ökonomische Dimension, die wir in unserer heutigen Zeitung
beschreiben. Die gekenterte Costa Concordia gehört zum
Kreuzfahrtkonzern Carnival, der auch die Aida-Schiffe betreibt. Das
Europa-Geschäft trägt 38 Prozent des Umsatzes der Reederei. Hauptbuchungszeit
für die Sommersaison sind - oder wären? - die kommenden Wochen.
Energiewende - aber anders. Wirtschaftsminister Philipp Rösler
will das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der rot-grünen Regierung
reformieren. Die Förderung der Erneuerbaren in ihrer jetzigen Form habe sich
überlebt, sagte er unseren Redakteuren im Interview. "Das sprengt auf Dauer das
System", meinte er. Besonders kritisch sieht Rösler die Photovoltaik. Die
Ausbaugeschwindigkeit übersteige das wirtschaftlich vernünftige Maß. Wo er Recht
hat, hat er Recht: Nur drei Prozent der Stromerzeugung stammen aus der
Solarenergie, dafür aber fließen 50 Prozent der insgesamt 13
Milliarden-Euro-Subventionen dorthin, die wir alle mit der Stromrechnung
bezahlen.
Die Herabstufung Frankreichs und acht anderer
Euro-Länder durch die Ratingagentur S&P Ende vergangener Woche dürfte
auch den Rettungsfonds ESFS in Schwierigkeiten bringen. Denn auch er wird
nach Einschätzung von Experten sein Toprating verlieren. Damit wird die
Euro-Rettung teurer. Die Macht der Ratingagenturen ist viel kritisiert
worden - aber sie ist noch immer ungebrochen.
Wenn die deutsche
Stabilitätskultur ein Wohnzimmer wäre, wäre Jürgen Stark in diesem
Wohnzimmer die Eichenschrankwand. Der zurückgetretene EZB-Chefvolkswirt
hat jetzt in einem Abschiedsbrief an 1.600 Mitarbeiter der EZB die
Gründe für sein Ausscheiden dargelegt. Der EZB-Rat, schreibt er, habe "das
Mandat der EZB ins Extreme gedehnt". Es sei eine "Illusion zu glauben, dass die
Geldpolitik große strukturelle und fiskalische Probleme in der Euro-Zone lösen
kann". Wann immer in der Geschichte sich eine Notenbank der Haushaltspolitik
untergeordnet habe, komme ihre eigentliche Aufgabe zu kurz, den Geldwert stabil
zu halten. Stark ist der Ghostwriter unserer Befürchtungen.
Auch
der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering ist ein Steher. Dem
Populismus seiner Nachfolger, die dem Wahlvolk glauben machen wollen, die
Rente mit 67 sei unsozial und überflüssig, widerspricht unser heutiger
Gastkommentator. "Mit insgesamt weniger Arbeit und Anstrengung geht es nicht",
schreibt er. Man dürfe nicht "Beliebigkeitslösungen in Aussicht stellen", die am
Ende das System gefährden. Hoffentlich findet Sigmar Gabriel nachher eine
Minute für die Lektüre. Wenn er sich der Zukunftsfähigkeit unseres
Rentensystems nur mit der halben Inbrunst widmen würde, wie der Jagd auf
Bundespräsident Wulff, wäre viel gewonnen.
Ich wünsche Ihnen einen guten
Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
Gabor
Steingart Chefredakteur
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