Roberto Abraham Scaruffi

Monday, 16 January 2012


MONTAG, 16. JANUAR 2012
Guten Morgen,
Europa wächst zusammen, der deutsch-französische Flugzeugkonzern EADS aber nicht. Wiedermal wird um Macht und Posten gepokert. Die Franzosen gehen dabei so weit, die zwischen Berlin und Paris verabredete Ernennung des deutschen Airbus-Chefs Tom Enders zum Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns EADS zu boykottieren. Lesen Sie alle Details dazu in unserer Titelgeschichte "Machtpoker bei EADS", die einmal mehr Charles de Gaulle bestätigt, der gesagt hat: "Staaten besitzen keine Freunde, nur Interessen."

Die menschliche Katastrophe vor der italienischen Küste hat auch eine ökonomische Dimension, die wir in unserer heutigen Zeitung beschreiben. Die gekenterte Costa Concordia gehört zum Kreuzfahrtkonzern Carnival, der auch die Aida-Schiffe betreibt. Das Europa-Geschäft trägt 38 Prozent des Umsatzes der Reederei. Hauptbuchungszeit für die Sommersaison sind - oder wären? - die kommenden Wochen.

Energiewende - aber anders. Wirtschaftsminister Philipp Rösler will das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der rot-grünen Regierung reformieren. Die Förderung der Erneuerbaren in ihrer jetzigen Form habe sich überlebt, sagte er unseren Redakteuren im Interview. "Das sprengt auf Dauer das System", meinte er. Besonders kritisch sieht Rösler die Photovoltaik. Die Ausbaugeschwindigkeit übersteige das wirtschaftlich vernünftige Maß. Wo er Recht hat, hat er Recht: Nur drei Prozent der Stromerzeugung stammen aus der Solarenergie, dafür aber fließen 50 Prozent der insgesamt 13 Milliarden-Euro-Subventionen dorthin, die wir alle mit der Stromrechnung bezahlen.

Die Herabstufung Frankreichs und acht anderer Euro-Länder durch die Ratingagentur S&P Ende vergangener Woche dürfte auch den Rettungsfonds ESFS in Schwierigkeiten bringen. Denn auch er wird nach Einschätzung von Experten sein Toprating verlieren. Damit wird die Euro-Rettung teurer. Die Macht der Ratingagenturen ist viel kritisiert worden - aber sie ist noch immer ungebrochen.

Wenn die deutsche Stabilitätskultur ein Wohnzimmer wäre, wäre Jürgen Stark in diesem Wohnzimmer die Eichenschrankwand. Der zurückgetretene EZB-Chefvolkswirt hat jetzt in einem Abschiedsbrief an 1.600 Mitarbeiter der EZB die Gründe für sein Ausscheiden dargelegt. Der EZB-Rat, schreibt er, habe "das Mandat der EZB ins Extreme gedehnt". Es sei eine "Illusion zu glauben, dass die Geldpolitik große strukturelle und fiskalische Probleme in der Euro-Zone lösen kann". Wann immer in der Geschichte sich eine Notenbank der Haushaltspolitik untergeordnet habe, komme ihre eigentliche Aufgabe zu kurz, den Geldwert stabil zu halten. Stark ist der Ghostwriter unserer Befürchtungen.

Auch der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering ist ein Steher. Dem Populismus seiner Nachfolger, die dem Wahlvolk glauben machen wollen, die Rente mit 67 sei unsozial und überflüssig, widerspricht unser heutiger Gastkommentator. "Mit insgesamt weniger Arbeit und Anstrengung geht es nicht", schreibt er. Man dürfe nicht "Beliebigkeitslösungen in Aussicht stellen", die am Ende das System gefährden. Hoffentlich findet Sigmar Gabriel nachher eine Minute für die Lektüre. Wenn er sich der Zukunftsfähigkeit unseres Rentensystems nur mit der halben Inbrunst widmen würde, wie der Jagd auf Bundespräsident Wulff, wäre viel gewonnen.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Gabor Steingart
Chefredakteur
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Machtpoker bei EADS
Über den Verwaltungsrat blockiert Frankreich die Ernennung des deutschen Airbus-Chefs Tom Enders zum Vorstandsvorsitzenden des Mutterkonzerns EADS. Das Gremium drängt auf mehr Posten und mehr Einfluss für die Grande Nation. Seit fast einem Jahrzehnt versucht sich Airbus bereits aus den Fängen des Staates zu lösen - vergebens, wie die jüngsten Entwicklungen zeigen.

Kreuzfahrt-Havarie bedroht das Geschäft von Carnival
Das Desaster vor der italienischen Küste ereignet sich in der Hauptbuchungszeit für die Sommersaison. Das Europa-Geschäft trägt 38 Prozent des Umsatzes der Reederei.

Ökostrom: Rösler will Förderung reformieren
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) fordert eine grundlegende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die Förderung der Erneuerbaren in ihrer jetzigen Form habe sich überlebt, sagte er dem Handelsblatt.

Rückschlag für die Eurokrisenmanager
Die Herabstufung Frankreichs und anderer Staaten durch S&P dürfte auch den Rettungsfonds ESFS in Bedrängnis bringen. Denn auch er wird nach Einschätzung von Experten sein Toprating verlieren, was die Refinanzierung der Euro-Rettung teurer macht.

Schneider verlässt Bayer-Konzern
Am 27. April wird Manfred Schneider einen Rekord aufstellen. Zum 26. Mal steht Mister Bayer dann vor den Aktionären des Chemie- und Pharmakonzerns.

Opel steht erneut vor Sparrunden
Der Autohersteller muss schon wieder sparen. Ende des Monats soll der Sanierungsplan stehen. Der neue Betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug lehnt aber neue Zugeständnisse der Arbeitnehmer ab.

Müntefering verteidigt die Rente mit 67
Der ehemalige SPD-Chef Franz Müntefering verteidigt die Rente mit 67. Er hält die über 65-Jährigen heute für fitter und leistungsfähiger, als frühere Generationen. "Mit weniger Arbeit und Anstrengung geht es nicht", schreibt er in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt.

Helfer in der Not
Allianz-Chef Michael Diekmann hat keine Geschenke zu verteilen. Dennoch hilft er der Commerzbank: Will er eine Bringschuld gegenüber dem Bund erfüllen? Oder sprechen ökonomische Gründe für sein Handeln?

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Börsen Asiens starten mit Abschlägen in die Woche
Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Frankreichs und acht anderer Euro-Länder durch die Ratingagentur Standard & Poor's zieht erste Reaktionen an den Börsen Asiens nach sich. Der Handel beginnt mit herben Verlusten.
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Die Favoriten unserer Leser
Linde-Chef
Reitzle liebäugelt mit Euro-Austritt Deutschlands
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Hans-Olaf Henkel
"Deutscher Euro-Austritt mit anderen Ländern denkbar"
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S&P-Downgrade
Dax drohen am Montag weitere Kursverluste
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Schäuble-Berater
"Deutsches AAA-Rating in Gefahr"
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Merkel könnte mit "ramponiertem" Wulff leben
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Der Rating-Schock bleibt aus
Die Herabstufung zahlreicher Euro-Staaten durch die US-Ratingagentur Standard & Poor’s erhitzt die Gemüter. An der Börse bleiben die Anleger allerdings besonnen. Ein Kurseinbruch im Dax ist zu Wochenbeginn nicht zu erwarten.
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Kommt die Inflation?
Das Statistische Bundesamt veröffentlicht die Großhandelspreise für Dezember. Nach den zwei Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank und ihren jüngsten Aktionen zur Stützung der Banken nimmt die Angst vor der Inflation zu. Die Märkte warten gespannt auf die Daten.
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Griechenlandkrise und kein Ende
Am Montag treffen die Kontrolleure von EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) in Athen ein. Von dem Urteil der sogenannten Troika hängt unter anderem die Auszahlung weiterer Hilfskredite ab. Die Euro-Partner und der IWF erwarten von Griechenland weitere Sparzusagen und Strukturreformen. Der Ministerpräsident heißt jetzt zwar Lucas Papademos. Doch die Probleme sind dieselben wie zu Zeiten des Giorgos Papandreou: Es geht nur schleppend voran.

Wahl des neuen Europaparlamentspräsidenten
Am Abend um 18.00 Uhr beginnt das Wahlverfahren für den neuen Präsidenten des Europaparlaments. Die Kandidaten stellen sich vor, die eigentliche Abstimmung findet allerdings erst am Dienstag um 9.00 Uhr statt. Die Wahl ist jedoch nur eine Formsache, da der Gewinner bereits feststeht: Martin Schulz, bisher Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, wird für die nächsten zweieinhalb Jahre an der Spitze der EU-Volksvertretung stehen. Nach der Europawahl vor zweieinhalb Jahren gab es nämlich eine Absprache zwischen den beiden großen Fraktionen des Parlaments: Die konservative EVP und die Sozialdemokraten verständigten sich damals darauf, dass Amt des Parlamentspräsidenten in der ersten Hälfte der Legislaturperiode mit einem Konservativen (Jerzy Buzek) und in der zweiten Hälfte mit einem Sozialdemokraten zu besetzen.
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Jon Huntsman will Rennen ums Weiße Haus verlassen
In den Umfragen landete er stets weit hinten, jetzt zog Huntsman die Konsequenz. Im Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur der Republikaner gibt es nun einen Kandidaten weniger.
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Milliarden-Risiko bei JP Morgan Chase
Die Schuldenkrise in Südeuropa macht auch vor der US-Bank JP Morgan Chase nicht halt. Im schlimmsten Fall könne das Institut bis zu fünf Milliarden Dollar verlieren, sagte Vorstandschef Jamie Dimon in einem Zeitungsinterview.
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Bilanzsaison sorgt für Spannung
Die heiße Phase der Quartalsbilanzen sorgt für Spannung an den US-Börsen: Die Citigroup und Wells Fargo veröffentlichen ihre Geschäftszahlen am Dienstag. Es folgen die Bank of America, Intel und Google.
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Martin Luther King Day
Wegen des Gedenktags für den amerikanischen Bürgerrechtler ruht das öffentliche Leben in den USA.
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Euro verliert in Asien an Boden
Das schwindende Zutrauen der Ratingagenturen in die Bonität mehrerer Eurozonen-Staaten macht sich im Devisenhandel in Asien deutlich bemerkbar. Der Euro ist unter Druck. Die Gemeinschaftswährung gibt gegenüber dem Dollar und dem Yen nach.
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Verunsicherung über Euro-Zone belastet den Nikkei
Die Herabstufung von neun Euro-Zonen-Staaten durch die Rating-Agentur Standard & Poor's wirkt sich als große Belastung auf den Handel an den fernöstlichen Aktienmärkten aus. Aber es finden sich auch Gewinner.
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FÜR SIE GELESEN - HANDELSBLATT PRESSESCHAU
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Die internationale Wirtschaftspresse setzt sich zum Wochenauftakt vor allem mit der Rating-Agentur S&P auseinander.

"Dass Standard & Poor’s ein paar Euro-Zone-Länder herabgestuft hat, war keine Überraschung. Doch was überrascht ist, dass in kaum einen Nachrichtenartikel dazu gesagt wurde, warum die Ratingagentur so pessimistisch in die Zukunft blickt", meldet sich Paul Krugman in seinem NYT-Blog zu Wort. S&P habe betont, dass der letzte Euro-Rettungsplan nicht an die Ursache der Finanzkrise herangehe, nämlich an die Finanzprobleme und Verschwendung in den Peripherie-Ländern, schreibt Krugmann.

Die Herabstufung sei nicht "das Ende der Welt", schreibt der britische Economist. Doch die Investoren werden ihn nicht mit einem Schulterzucken abtun, meint das Blatt. "Es klafft ein großes Loch in dem ohnehin arg gebeutelten Netz des Euro-Stabilitäts-Fonds, dieser wird nun nur noch von drei Ländern mit einem Triple-A gestützt, die nicht einmal die Hälfte des BIP der EU darstellen."

"Nach der Herabstufung kommt die Abwärtsspirale", unkt daher die Financial Times. Im Zuge dessen würden die Wirtschaftsleistung der EU sinken, die Schulden steigen und neue Herabstufungen folgen: "Die Rezession hat gerade begonnen." Die Krise und der Versuch, sie zu lösen, seien offenbar in zwei völlig getrennten Welten anzusiedeln.

Das Wall Street Journal geht sogar noch einen Schritt weiter. "Die Rettungsmaßnahmen haben die Ausbreitung der Krise nicht verhindert, sondern sie befördert." Indem die starken Länder den schwachen mit Garantien unter die Arme griffen, würden diese den schwachen Ländern ausgeliefert. "In der Praxis reduziert die Herabstufung die Möglichkeit des EU-Rettungsfonds, Triple-A-Anleihen zu emittieren." Und da alle anderen Lösungsvorschläge zur Krise noch immer mehr oder weniger Skizzen seien, werde der Handlungsspielraum der EU dadurch stark eingeschränkt. "Vielleicht motiviert die Herabstufung die europäischen Politiker, ihre Strategie zu überdenken."
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