Roberto Abraham Scaruffi

Monday, 23 January 2012


MONTAG, 23. JANUAR 2012
Guten Morgen,
unsere heutige Titelgeschichte trägt die Überschrift "Die Zweiklassengesellschaft". Gemeint ist das Auseinanderdriften der 30 Dax-Konzerne, das spätestens bei der Vorlage der Jahresabschlüsse 2011 für jedermann erkennbar sein wird. Das Handelsblatt und die Researchabteilung der Commerzbank haben schon vorab die Ertragsschätzungen ausgewertet - mit folgendem Ergebnis: Die Spitzengruppe, angeführt von Volkswagen, BMW und SAP, fährt historisch beeindruckende Rekordgewinne ein, derweil Lufthansa, Heidelbergcement, Thyssen-Krupp und ausnahmslos alle Finanzdienstleister von ihren goldenen Zeiten weit entfernt sind. Die Gründe für dieses Auseinanderdriften haben wir auf einer Sonderseite für Sie analysiert.

Die Hauptversammlung des traditionsreichen Stahlkonzerns Thyssen-Krupp war für Aufsichtsratschef Gerhard Cromme eine echte Herausforderung. Die Sympathien der Aktionäre befanden sich auf Seiten von Ekkehard Schulz, dem Ex-Vorstandschef und Ex-Aufsichtsrat, dem Cromme das Fehlinvestment in Brasilien anlastet. Wir dokumentieren in der heutigen Ausgabe die Stimmen der Basis, die ihren "eisernen Ekki" noch immer in Ehren hält. Das ist liebenswert, aber durch die Fakten nicht immer gedeckt. Da ist kein Unschuldiger gegangen. Die Erinnerung malt mit goldenem Pinsel.

Anton Schlecker hat Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Aufstieg und Fall seiner Drogeriemarktkette sind ein Lehrbeispiel für Unternehmermut, wobei der Mut zum Risiko immer auch den Mut zum Scheitern beinhaltet. Die Erben müssen nun retten, was zu retten ist. Die Hoffnungen von 30.000 Beschäftigten ruhen jetzt auf Lars und Meike Schlecker. Für sie gilt, was Goethe in seinem Faust gedichtet hat: "Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen."

Ich freue mich auf die heute beginnende Handelsblatt-Konferenz: Ökonomie neu denken. Mehr als 250 Volkswirte, Politiker und Unternehmer diskutieren nachher in Frankfurt darüber, was die Wirtschaftswissenschaft aus der Finanzkrise lernen muss. Es gibt viel zu besprechen. Bislang hat die Wissenschaft meines Erachtens die neue Lage nicht gründlich genug analysiert. Es dominieren Schuldzuweisungen der schlichten Art: Entfesselter Kapitalismus, rufen die einen. Staatsversagen, erwidern die anderen. Wir erleben, das hat Rainer Hank von der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in seinem demnächst erscheinenden Buch (dessen Druckfahnen mir vorgestern zugingen) vortrefflich formuliert, bisher immer nur "die Neuauflage des immer schon Gewussten".

Bundespräsident Christian Wulff erschien gestern zum 90-Minuten-Talk mit Zeit-Herausgeber Josef Joffe im Berliner Ensemble. "Was ist typisch deutsch?", lautete das offizielle Thema. "Was ist typisch Wulff?", war das inoffizielle. Um es kurz zu machen: Wulff schlug sich wacker. Die Rolle des selbstbewussten Sünders liegt ihm. Zwei Dinge kamen ihm zugute: Die Vorwürfe werden immer kleiner, das geschenkte Bobbycar und ein Kochbuch-Sponsoring taugen nicht für neue Erregungswellen. Und: Er hat seinen Mutterwitz wiedergefunden. Er werde seine Telefongewohnheiten umstellen, sagte er. Das Sich-Beschweren auf anderer Menschen Mailboxen wird demnach eingestellt. Tritt Wulf ab? Zumindest eine Teilantwort hat er gestern gegeben: Freiwillig wird er es nicht tun.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese neue Winterwoche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Gabor Steingart
Chefredakteur
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Die Zweiklassengesellschaft
Die Ertragsschätzungen des Handelsblatts für das Geschäftsjahr 2011 zeigen: Die Spitzengruppe, angeführt von Volkswagen, BMW und SAP, erzielt historische Rekordgewinne. Lufthansa, Heidelbergcement und die Finanzdienstleister haben sich von ihren goldenen Zeiten weit entfernt.

Thyssen-Krupp: Die Kritik der Aktionäre
Die Hauptversammlung des traditionsreichen Stahlkonzerns war für Aufsichtsratschef Gerhard Cromme eine echte Herausforderung.

Schlecker: Tage der Ungewissheit für die Drogeriemarktkette
Die Drogeriemarktkette will heute oder morgen einen Antrag auf Planungsinsolvenz stellen. Der Niedergang des Unternehmens könnte auch persönliche Konsequenzen für den Gründer und langjährigen Chef Anton Schlecker haben. Experten sehen sein Privatvermögen in Gefahr.

Mittelstand: Internationalität ist gefragt
Im Mischkonzern Freudenberg sind Ausländer sehr willkommen. Das Familienunternehmen wird bald von einem Iraner geführt.

Wulff findet in sein Amt zurück
Der in die Kritik geratene Bundespräsident Christian Wulff hat in Berlin vor einem großen und lebhaften Publikum Rede und Antwort gestanden - in eigener Sache und als Staatsmann.

Das Endspiel um Griechenland
Kanzlerin Angela Merkel und IWF-Chefin Christine Lagarde haben erneut über das neue Hilfspaket beraten. Dabei ging es um die Frage, ob Griechenalnd die Voraussetzungen für das zweite Hilfspaket erfüllt, hieß es in Regierungskreisen. Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kritisiert den Schuldenschnitt.

Kornblum beklagt Sprachlosigkeit
Der frühere US-Botschafter fordert im Gastbeitrag Regierungen und Firmen auf, sich besser miteinander zu verständigen.

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Ein Deutscher soll den Blackberry-Hersteller retten
Research in Motion (RIM) kämpft seit geraumer Zeit gegen den Abschwung. Nun ziehen die Chefs Mike Lazaridis und Jim Balsillie die Reißleine und treten zurück. Die Hoffnungen des Blackberry-Herstellers ruhen auf einem Deutschen.
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Die Favoriten unserer Leser
Drogerie-Pleite
Anton Schleckers Vermögen ist in Gefahr
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Fonds
Fondsmanager bringen das Geld in Sicherheit
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Immobilien
Wo es die günstigste Baufinanzierung gibt
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"Hochspekulativ und gefährlich"
Mirow warnt vor Euro-Austritt Griechenlands
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Spanische Schuldenwarnung
Darf's ein bisschen mehr sein?
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Dax dürfte Gewinne verteidigen
Der Dax hat weiter Aufwind und dürfte die Gewinne aus der vergangenen Woche verteidigen. Analysten hoffen auf Normalität an der Börse, in der statt Konjunkturängsten hauptsächlich Quartalszahlen die Kurse bewegen.
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Lagarde spricht in Berlin
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds IWF, Christine Lagarde, spricht heute in Berlin. Ihre Themen: Wachstum und Vertrauen.

Zukunft von Schlecker
Reicht die Familie Schlecker schon heute ihren Antrag auf Planinsolvenz beim Amtsgericht Ulm ein? Wie geht es weiter für die rund 30.000 Beschäftigten in Deutschland? Wie viele der hierzulande noch 7.000 Filialen werden schließen müssen? Rahmendaten dazu dürfte der Insolvenzplan enthalten.

Handelsblatt-Konferenz: Ökonomie neu denken
Mehr als 250 Volkswirte, Politiker und Unternehmer diskutieren in Frankfurt auf der Konferenz "Ökonomie neu denken" darüber, was die Wirtschaftswissenschaft aus der Finanzkrise lernen muss.
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Euro-Finanzminister beraten über Griechenland
Die Finanzminister der Euro-Gruppe treffen sich zum ersten Mal seit der Winterpause. Auf der Agenda steht die Rettung Griechenlands. Neben der Einigung Athens mit den Banken über einen Schuldenschnitt von 50 Prozent muss ein neues Rettungsprogramm für die Hellenen aufgestellt werden.
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Nach Attentat gibt US-Abgeordnete Amt auf
Anfang Januar hatte ein Mann bei einem Treffen der US-Abgeordneten Giffords' mit Bürgern ein Blutbad angerichtet. Es gab sechs Tote, und Giffords war in den Kopf geschossen worden. Jetzt kommt der Rücktritt.
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US-Börsen steht Zahlenflut bevor
Ausblick: Die Wall Street macht den Bilanz-Check. Apple, Verizon, McDonald's, Procter & Gamble - das sind nur vier der 18 Schwergewichte, die in dieser Woche ihre Zahlen vorlegen. Zudem gibt es ein Novum bei der US-Notenbank.
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US-Firmen mit weiteren Quartalsergebnissen
Die Berichtssaison der US-Unternehmen ist weiter in vollem Gange. Heute veröffentlichen Amercian Econimic Power, Halliburton und Texas Instruments Zahlen zu ihrer Geschäftsentwicklung im vergangenen Quartal.
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Nikkei kann Gewinnserie nicht fortsetzen
Die Tokioter Börse legt im frühen Handel den fünften Tag in Folge zu. Unsicherheit herrscht aber wegen der Gespräche über den Anleihetausch privater Griechenland-Gläubiger. Deshalb gibt der Nikkei im späteren Handelsverlauf seine Gewinne wieder ab.
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FÜR SIE GELESEN - HANDELSBLATT PRESSESCHAU
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Die internationale Presse rechnet mit einer Griechenland-Pleite und sieht Deutschland in der Pflicht, zu helfen.

"Freiwillig oder unfreiwillig - Griechenland wird Pleite gehen", ist sich die Huffington Post sicher. Die Griechen würden nicht zulassen, dass ihre Anleihen den scheinbar stärkeren Mitgliedern der Euro-Zone verpfändet oder verkauft werden - und deshalb für einen Ausstieg, für eine Wirtschaft unabhängig vom Rest der Euro-Zone, stimmen. Deutschland komme eine Schlüsselrolle beim Auffangen der Verluste zu, denn es seien vor allem die Deutschen, die die Währungsgemeinschaft und den Euro brauchen.

Auch das Wall Street Journal sieht Deutschland stärker in der Verantwortung. Die stockenden Gespräche in Athen über den Schuldenschnitt Griechenlands hätten die Angst vor einer Griechenland-Pleite erneut befeuert. "Aus Mangel an Alternativen nehmen führende EU-Politiker, darunter Italiens Premier Mario Monti, Berlin stärker in die Pflicht."

Mario Draghis Entscheidung, die europäischen Banken "mit Geld zu fluten" mag einen Crash in Europa vom Ausmaß des Lehman-Brothers-Konkurses verhindert haben, doch Griechenland sei damit nicht geholfen, findet Report on Business aus Kanada: "Das Land stirbt." Trotz des geplanten Schuldenschnitts und des harten Sparprogramms sei der südeuropäische Staat nicht mehr zu retten: Die Rezession habe das Land fest im Griff, die Regierung nehme immer weniger ein, selbst im Privatsektor sinken die Löhne. Die Inflation sei hoch, die Wirtschaft sei 2010 um 3,5 Prozent geschrumpft, 2011 sogar um sechs Prozent.
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