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Freitag, 30. März
2012
Guten Morgen Herr Scaruffi,
die gute Nachricht ist: Zwischen
Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes und Verdi wird ab heute Morgen 8 Uhr
wieder verhandelt. Die schlechte Nachricht: Bisher hat sich Verdi-Chef
Frank Bsirske keinen Millimeter bewegt. Er beharrt trotz leerer Kassen,
Schuldenbremse und einem Minimal-Wachstum von 0,7 Prozent auf einer Lohnanhebung
von mehr als sechs Prozent. Die Verwalter unserer Steuermilliarden
wünscht man sich ähnlich stur: Kompromiss darf nicht ein anderes Wort
für Steuerverschwendung sein.
Es gibt ein neues Buch, das
"Kultur-Infarkt" heißt. Darin verlangen vier Autoren, die alle selbst aus
dem Kulturbetrieb stammen, die Hälfte der Theater, Opernhäuser und
Tanzgruppen zu schließen. Richtig ist: Kein Land fördert die
Kultureinrichtungen so stark wie Deutschland. Berlin erhält doppelt so viel
Staatsunterstützung wie London und 50 Prozent mehr als das dreimal so große New
York. Es wäre aber falsch, der deutschen Kultur jene Spar-Medizin zu empfehlen,
die schon in Griechenland nicht funktioniert hat. Unsere Autorin Claudia
Schumacher und ihr Kollege Sven Prange haben sich einen Überblick verschafft.
Unter dem Titel "Der Subventionswahnsinn oder: Wie viel Kultur will sich
Deutschland leisten?" plädieren sie für eine Große Koalition der
Kulturschaffenden mit der ökonomischen Vernunft. Und gegen eine
Controller-Kultur.
Erfolg für die FDP und den Wirtschaftsflügel
der Union: Die Pläne, eine Transfergesellschaft mit öffentlichen
Hilfen zu finanzieren, sind endgültig gescheitert. Für Schlecker wird es
keine Sonderwirtschaftszone geben. Die 11.000 Entlassenen fallen trotzdem nicht
wie vielfach behauptet ins Bodenlose: Sie erhalten Arbeitslosengeld und
Abfindungen. Und angesichts eines Stellenmarktes, der im Handel nach
Arbeitskräften schreit, hoffentlich auch wieder Arbeit.
Anshus Army
marschiert: Ein Vertrauter des neuen Co-Chefs Anshu Jain verantwortet künftig
die wichtigste Denkfabrik der Deutschen Bank. Die "Abteilung für
Konzernentwicklung", in der traditionell die großen Akquisitionen und andere
Umbaupläne der Bank ausgeheckt werden, berichtet künftig an den
Investmentbanker Henry Ritchotte, der neu in den Vorstand
einzieht. Bisher hat diese Abteilung vor allem dem deutschen Finanzvorstand der
Bank unterstanden. Nichts gegen Jains Energie, aber zuweilen fragt sich das
Publikum: Wo steckt sein Co-Pilot Jürgen Fitschen? Bitte melden, bitte
melden!
In der Energiebranche tut sich großes: RWE und Eon sind
ein zweites Mal aus der Kernenergie ausgestiegen, diesmal freiwillig.
Gestern gaben beide ihre Investitionspläne für ein neues AKW in England auf -
Investitionsvolumen 17 Milliarden Euro. Beide wollen auch fernab von Merkels
Energiewende mit der Atomenergie nichts mehr zu tun haben. Wir sprachen
dazu mit einem geläuterten Eon-Chef Johannes Teyssen, der nun mit
Volldampf auf Sonne, Wind, Gas und Kohle setzt. Das hindert den Mann nicht
daran, Klartext an die Adresse der Kanzlerin zu sprechen: "Es fehlt ein
klarer Rahmen. Bisher wurde nur Flickschusterei betrieben. Es gibt heute über
4.000 Fördersätze für alle Arten erneuerbarer Energie". Das große Gespräch mit
dem Eon-Chef in unserer heutigen Ausgabe kann ich Ihnen nur empfehlen. Sie
werden dann selbst erleben: Deutschland hat mit Teyssen einen Freund der
Erneuerbaren gewonnen. Aber Gott sei Dank einen, der mit kühlem Kopf auf Wind
und Sonne schaut und nicht mit heißem Herzen.
Ich wünsche Ihnen ein
großartiges Wochenende. Herzlichst Ihr
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Gabor Steingart Chefredakteur
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