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Freitag, 04. Mai
2012
Guten Morgen,
bei der Deutschen Lufthansa liegen
die Dinge noch ärger als gedacht. Gestern wurde bekannt, dass knapp 20
Prozent aller Jobs in der Verwaltung gestrichen werden sollen. In einem
Interview mit unserem Wiener Korrespondenten Stefan Menzel spricht Niki Lauda
unbequeme Wahrheiten aus. Zum Beispiel die: "Die Lufthansa-Strategie der
Zukäufe ist nicht aufgegangen." Auch von der jetzt beabsichtigten
Sparpolitik, die zum Teil auf First-Class-Bestuhlung verzichten will,
hält er nichts: "Das ist genau der falsche Weg, weil damit am Produkt
gespart wird und die Rechnung wieder nicht aufgeht."
Bei Ikea
dachten wir bisher an das Billy-Regal und die trostlosen Stunden beim
Zusammenschrauben des selbigen. An Zwangsarbeit und DDR dachten wir
nicht. Seitdem ein schwedischer Fernsehsender über den Einsatz von
politischen DDR-Gefangenen für die Billy-Produktion berichtete, hat sich
unsere Wahrnehmung verändert. Handelsblatt-Reporter Sönke Iwersen - der für
seine investigativen Recherchen in den Fällen Teldafax und Ergo in Kürze
den Wächterpreis der deutschen Tageszeitungen verliehen bekommt - hat sich auf
die Suche nach DDR-Zwangsarbeitern gemacht. Und er wurde fündig. Er traf
ehemalige DDR-Gefängnisinsassen, die praktisch ohne Bezahlung für Ikea, aber
auch für Quelle und Neckermann schufteten. Ihr Verbrechen: Sie wollten
Westdeutschland kennenlernen und wurden geschnappt. Der Ikea-Slogan "Entdecke
die Möglichkeiten", wurde für sie nicht wahr.
Anshus Army marschiert
weiter. Die Truppen des neuen Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu
Jain, haben jetzt auch Berlin erreicht. Dort wird Jain anstelle von Josef
Ackermann den Kuratoriumsvorsitz der Alfred Herrhausen Gesellschaft
übernehmen. Damit hat er die Idee seines Partners Jürgen Fitschen
vereitelt, der für sich den Posten als "Mr. Deutschland" vorgesehen hatte.
Wenn der heutige Geschäftsführer der Herrhausen Gesellschaft, der
Ex-Kanzlerberater, Ex-Kultusstaatsekretär und Ackermann-Vertraute Wolfgang
Nowak, in den verdienten Ruhestand strebt, will Jain einen seiner Getreuen
in der Stiftung installieren. In unserer heutigen Ausgabe erfahren Sie, wer sein
Top-Favorit ist.
Großes Lob und Dank an unsere Leserinnen und Leser: Die
Titelgeschichte unserer heutigen Wochenendausgabe "Das Lexikon des
bürokratischen Wahnsinns" wäre ohne Ihre engagierte Mithilfe nicht zustande
gekommen. So aber finden Sie darin all das, was sich die große Koalition aus
Bürokratie und Idiotie in den vergangenen Jahren hat einfallen lassen: Von
der Kleinteile-Vorschrift über den Herstellungskostennachweis bis zu
Aufbewahrungsfrist und Zweitwohnungssteuer. Wer möchte, kann die fünf
Doppelseiten nach der Lektüre auch seinem örtlichen Bundestagsabgeordneten oder
der Kanzlerin schicken - als Ermahnung an gemachte Versprechen. Man muss
nicht Pirat werden, um den bürgerlichen Parteien ein wenig
einzuheizen.
Prof. Arnulf Baring leistet sich seit jeher eine
eigene Meinung - auch zum Euro. In unserem heutigen Gastkommentar rät
er den Deutschen, den Währungsverbund zu verlassen. Die Erwartungen der
anderen, Deutschland könne Europa retten, hält er für illusionär. An die
Überlebenschancen des Euro glaubt er nicht. Er wünscht sich in der Europapolitik
mehr Bescheidenheit. "Wir Deutschen müssen uns einen neuen Reim auf uns selbst
machen". Man muss Barings Meinung nicht teilen. Aber lesen sollte man sie.
Vielleicht gerade deshalb.
Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende.
Bleiben Sie uns gewogen. Herzlichst Ihr
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Gabor Steingart Chefredakteur
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