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Montag, 27. Februar
2012
Guten Morgen,
das Unwichtigste zuerst: Eine bezaubernde
Meryl Streep nahm heute Nacht ihren dritten Oscar entgegen,
natürlich weinend. Als Eiserne Lady Maggie Thatcher hat die
Schauspielerin einmal mehr überzeugt - auch durch die Würde, die sie der viel
gescholtenen Thatcher zurückgab. Streep ist eine der wenigen
Hollywood-Schauspielerinnen, denen mit über 60 Jahren eine Hauptrolle
zugetraut wird. In einem Interview mit der ZEIT war kürzlich folgender
lebenskluger Dialog zu lesen:
Streep: Ich fühle mich bei den Oskars
überhaupt nicht wohl, ich fühle mich zu alt, zu dick, zu fremd. Aber ich bin
kein Hasenfuß, der kneift. Bei der Oscar-Verleihung geht es um die Kleider, mehr
als um irgendetwas anderes. Und jeder, der dort hingeht, denkt nur daran, was er
oder sie anziehen wird. Ich bin nicht der Typ, der über so etwas nachdenkt, aber
natürlich denke ich schon jetzt darüber nach.
ZEIT: Man hat das
Gefühl, dass sie umso mehr Humor und Lebensfreude verströmen, je älter Sie
werden. Woran liegt das?
Streep: Am Leben. Am zunehmenden
Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit. Ich habe so viele Freunde verloren.
Auch Freunde, die viel jünger waren als ich. And I’m fucking happy to be
here.
Womit wir bei den ernsten Themen wären: "Die Welt
rüstet auf", lautet unsere heutige Schlagzeile auf Seite Eins. Es gibt eine
Sonderkonjunktur für die Rüstungsindustrie, die sich von Finanz- und
Eurokrise nicht beeinflussen lässt: China will den Militäretat
verdoppeln, Russlands Premier Wladimir Putin kündigt ein gigantisches
Rüstungsprogramm an, und am Persischen Golf bereiten sich die Armeen auf
einen möglichen Krieg mit Iran vor. Unsere heutige Zeitung gibt auf zwei
Doppelseiten eine Übersicht über die größten Rüstungslieferanten und ihre
wichtigsten Abnehmer.
Um den beabsichtigten Vergleich zwischen der
Deutschen Bank und den Erben des Medienunternehmens Leo Kirch wird
hart gerungen. Die Bank fürchtet, dass der Kompromiss über rund 800 Millionen
Euro von den Aktionären blockiert werden könnte. Die Kirch-Erben glauben,
dass noch mehr rauszuholen sei. Es wäre nur fair, wenn am Ende die Aktionäre der
Bank entscheiden würden. Es ist ihr Geld, das da ausgegeben wird.
Der
Frankfurter Flughafen ist in diesen Tagen ein Ort, den man besser
meiden sollte: Reisende an Deutschlands größtem Flughafen müssen sich zum
Wochenbeginn wieder auf Flugausfälle und Wartezeiten einstellen.
Tarifautonomie ist beides: eine Errungenschaft und ein
Ärgernis.
Ferdinand Piech greift nicht an, er lässt angreifen:
Kaum hat er die Führung beim Münchner Dax-Konzern MAN übernommen tut sich
da etwas: "Wir wollen bis 2020 die Nummer Eins im Geschäftsfeld der Commercial
Vehicles werden", schreibt MAN-Vorstandschef Georg Pachta-Reyhofen in
einem Brief an die Mitarbeiter, der dem Handelsblatt vorliegt. Ein neuer
Mini-Lastwagen wird demnächst in den Markt gedrückt - gegen die
Noch-Nummer-Eins Mercedes. Der Name Piech bürgt noch nicht für den Erfolg der
Offensive, aber für die Ernsthaftigkeit des Angriffs.
Im deutschen
Mittelstand geht es zuweilen auch turbulent zu, zum Beispiel bei der
Westfälischen Papierfabrik. Stellen Sie sich vor, ein Mann liegt auf der
Intensivstation. Während der Patient immer schwächer wird, kann sich die
Verwaltung nicht einigen, welchen Arzt sie schickt. So ergeht es derzeit den
2.900 Mitarbeitern der Papierfabrik. Aufsichtsratschef Friedrich Merz
musste seine Zusage an den bereits berufenen Sanierungsberater wieder
zurücknehmen, weil die Banken sich querstellten. Nun wird nicht saniert,
sondern gestritten. Unser Reporter Sönke Iwersen hat einen Blick hinter die
Kulissen dieses bizarren Schauspiels geworfen.
Der Kandidat für das Amt
des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, ist nachher zu Gast in Berlin und
stellt sich den Führungsgremien von SPD und CDU vor. Normalerweise schaut
man sich einen Kandidaten vor der Nominierung an, nicht danach. Aber im Falle
von Gauck ist die verkehrte Reihenfolge die Richtige. Die
Parteifunktionäre beider Lager hätten im Angesicht seiner Unabhängigkeit
womöglich anders entschieden.
Ich wünsche Ihnen einen glücklichen Start
in die neue Woche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
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Gabor Steingart Chefredakteur
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