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Mittwoch, 02. Mai
2012
Guten Morgen Herr Scaruffi,
die Energiewende klemmt. Nach dem
einen großen Ausstiegs-Rums der Kanzlerin ist nicht viel passiert. Angela
Merkel will daher heute mit führenden Branchenvertretern über die
Probleme bei der Umsetzung sprechen. Es soll vor allem darum gehen,
welche konventionellen Kraftwerke die Stilllegung von neun Atomkraftwerken bis
2022 auffangen können. Die Energiebosse von Eon und RWE haben keine
andere Wahl, als der Kanzlerin bei der Umsetzung zum Erfolg zu verhelfen. Sie
tun das in der sicheren Erkenntnis: Ein bisschen helfen sie damit auch sich
selbst.
Der Fall Eon zeigt: Die Energieriesen sind mit der
Atomwende in eine Sinnkrise gestürzt. Dem Aktienkurs fehlt - das zeigt
unser heutiger Schwerpunkt "Eon ungeschminkt" - die Fantasie, weshalb er
mit 17 Euro vom Höchstkurs im Januar 2008 (50 Euro) ziemlich weit entfernt ist.
Dass Vorstand und Aufsichtsrat auf der morgigen Hauptversammlung trotz
Milliardenverlusts eine Milliardenausschüttung vorschlagen wollen, ist nicht
ungewöhnlich. Aber es ist unklug. Kursfantasie muss man sich erarbeiten.
Sie lässt sich nicht kaufen.
Der Fall Aldi Süd, wo die
modere Videoüberwachungstechnik missbraucht wurde, ist mutmaßlich kein
Einzelfall. Das Kontrollieren und Überwachen per Kamera und Computer ist überall
groß in Mode. Die Branche boomt, rechnet bis 2016 mit einem Umsatz von 25
Milliarden Dollar, heute sind es erst 16 Milliarden Dollar. Groß im Geschäft
sind viele kleine Sicherheitsfirmen, aber auch Bosch und Siemens. Die
Rechtsgrundlage ist nicht immer ganz klar: Wo endet das Sicherheitsbedürfnis von
Einzelhandel, Banken, Bahn AG und Flughafenbetreiber - und wo beginnt die
Privatsphäre? Unsere heutige Titelgeschichte "Die Sucht nach Sicherheit"
ist um Klärung der Faktenlage bemüht. Fest steht jedenfalls: Wer sich
unbeobachtet fühlt, ist selber schuld.
Das Bundeskabinett
will heute die Einrichtung einer neuen Meldebehörde - die sogenannte
Markttransparenzstelle - beschließen, um die gesamte Preispolitik der
Ölkonzerne unter Kontrolle zu stellen. Die Betreiber der rund 14.700
Tankstellen in Deutschland müssten detailliert darüber Auskunft geben, wann und
in welchem Umfang sie die Preise an den Zapfsäulen erhöhen und wo und wie
teuer sie eingekauft haben. Die fünf großen Mineralölkonzerne, aber auch die
freien Tankstellen sind gegen diese "Benzin-Polizei", die FDP-Chef und
Wirtschaftsminister Philipp Rösler sich hat einfallen lassen. Sie
sprechen von einem "Bürokratiemonster".
Diese und andere Fälle von
Papiergeraschel zulasten von Wohlstand und Wachstum wird unsere
Wochenendausgabe am Freitag behandeln. Wir planen, "Das Lexikon des
bürokratischen Wahnsinns" zu veröffentlichen, das von A wie
Aufbewahrungsfristen bis Z wie Zweitwohnungssteuer Auskunft über die vielen
kleinen Idiotien unseres Wirtschaftslebens gibt. Wer zu diesem Lexikon beitragen
möchte - mit weiteren Stichworten oder eigenem Erleben von Bürokratenwillkür -
ist der Redaktion herzlich willkommen. Bitte schicken Sie mir Ihren kurzen
Beitrag an: steingart@handelsblatt.com.
Die illegalen Geschäfte der MAN-Tochter Ferrostaal waren nach
Aussage ihres Compliance-Chefs Philip Matthey auch unrentabel. Die
schmutzigen Aufträge hätten durchweg niedrigere Margen gebracht als die
sauberen, verriet Matthey vor dem Wirtschaftskreis Compliance, der von der
Unternehmensberatung Alvarez & Marsal veranstaltet wird. Dort treffen
sich vorwiegend Chief Compliance Officers (CCO) und Juristen. Und unser Reporter
Sönke Iwersen, der darüber heute berichtet, durfte auch mithören. Sein
Urteil: "Ferrostaal hätte sich viel ersparen können: Die Durchsuchungen der
Staatsanwaltschaft, die Rufschädigung und die Strafe von 149 Millionen
Euro."
Heute Abend erwartet Sie ein TV-Highlight, wenn auch nur im
französischen Fernsehen: Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und sein
sozialistischer Herausforderer François Hollande treten gegeneinander an.
Im Moment läuft es schlecht für Sarkozy: Die Chefin der rechtsextremen Front
National, Marine Le Pen, hatte es gestern abgelehnt, ihren Anhängern eine
Wahlempfehlung zu seinen Gunsten zu geben. An den Wahlsieg Sarkozys zu
glauben, war bis dahin optimistisch. Ab jetzt ist es naiv.
Ich
wünsche Ihnen einen fröhlichen Start in den Tag. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
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Gabor Steingart Chefredakteur
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TERMINE DES TAGES
Kabinett will Benzinpreis-Kontrolle beschließen Heute
will das Bundeskabinett die Einrichtung einer Meldebehörde beschließen. Ziel
ist, damit die gesamte Preispolitik der Ölkonzerne unter staatliche Kontrolle zu
stellen. Hat das Vorhaben Erfolg, müssten die Betreiber der Tankstellen in
Deutschland künftig detailliert darüber Auskunft geben, wann und in welchem
Umfang sie die Preise an den Zapfsäulen erhöhen oder senken. Außerdem müssten
sie der neuen "Markttransparenzstelle" melden, welche Mengen an Treibstoffen sie
wo und wie teuer eingekauft haben.
Merkel trifft Energiebranche zu Spitzengespräch
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will mit führenden Branchenvertretern
über Probleme bei der Umsetzung der Energiewende sprechen. An dem Treffen im
Kanzleramt sollen unter anderem Spitzenvertreter von RWE, Eon, Siemens und des
Stadtwerkeverbunds Thüga teilnehmen. Neben Problemen beim Netzausbau soll es vor
allem darum gehen, welche konventionellen Kraftwerke die Stilllegung von neun
Atomkraftwerken bis 2022 auffangen könnten. Bisher gibt es zum Beispiel kaum
Pläne für neue Gaskraftwerke.
IG
Metall weitet Warnstreiks aus Nach den ersten Warnstreiks am
vergangenen Wochenende verschärft die IG Metall im Tarifkonflikt der Metall- und
Elektroindustrie heute ihre Gangart. Mit Demonstrationen in mehreren Städten
will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber bundesweit erhöhen. In
Niedersachsen ist ein Protestzug am Werk des Hausgeräte-Herstellers Miele in
Lehrte mit IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine geplant. In Düsseldorf hat
bereits sein NRW-Kollege Oliver Burkhard vor der Frühschicht im Düsseldorfer
Transporterwerk des Autobauers Daimler gesprochen. Auch in Baden-Württemberg und
Berlin werden Warnstreiks organisiert. In Hamburg und Bremen laufen die
Vorbereitungen für größere Aktionen am Donnerstag.
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TERMINE DES TAGES
EU-Kassenhüter wollen sich auf strengere Regeln für Banken
einigen Die europäischen Finanzminister kommen zu einem
Sondertreffen in Brüssel zusammen, um sich auf strengere Regeln für die
Kapitalausstattung von Banken zu einigen. Die Kassenhüter ziehen damit eine
Konsequenz aus der Finanzkrise, die seit 2008 andauert und zahlreiche Geldhäuser
zu Sanierungsfällen gemacht hat. Danach kann mit dem Europaparlament verhandelt
werden. Die ausgesprochen umfangreiche und komplizierte Gesetzgebung soll bis
Anfang nächsten Jahres stehen.
Höhepunkt vor Stichwahl: Sarkozy und Hollande im
Fernsehduell Mit einem TV-Duell zwischen Amtsinhaber Nicolas
Sarkozy und seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande steuert der
Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich heute Abend auf seinen Höhepunkt zu. Vor
der entscheidenden Stichwahl am kommenden Sonntag wollen beide Kandidaten
versuchen, unentschlossene Wähler auf ihre Seite zu ziehen.
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TERMINE DES TAGES
Friedrich beginnt USA-Reise - Schwerpunkt Cyber-Sicherheit
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) reist in die USA. Bis zum
Freitag stehen Gespräche in Washington an, unter anderem mit Vertretern der
US-Regierung. Ein Schwerpunkt ist das Thema Cyber-Sicherheit, also die Abwehr
krimineller und terroristischer Angriffe im Internet.
Visa verdient mehr Der
US-Kreditkartenkonzern hat nach Einschätzung von Analysten im zweiten Quartal
seines laufenden Geschäftsjahres unter dem Strich mit gut einer Milliarde Dollar
15 Prozent mehr verdient als vor Jahresfrist. Heute legt Visa die Zahlen
vor.
Time Warner: Mehr Umsatz,
weniger Gewinn Der US-Medienkonzern, der über den Verlauf des
ersten Quartals berichtet, hat nach Expertenmeinung zwar seinen Umsatz um zwei
Prozent auf gut 6,8 Milliarden Dollar gesteigert. Unter dem Strich dürfte Time
Warner jedoch mit 635 Millionen Dollar rund drei Prozent weniger verdient haben.
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WORTE DES TAGES
"Legt die rote Fahne nieder und dient
Frankreich. Eure Rolle ist nicht die Verteidigung einer Ideologie, sondern der
Arbeiter." Nicolas Sarkozy, Frankreichs Präsident, an die Adresse der
Gewerkschaften
"Wer am Verhandlungstisch nicht konstruktiv auf unsere
Forderungen antwortet, der bekommt die Antwort von den Beschäftigten im Betrieb
geliefert." Berthold Huber, IG Metall-Chef
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