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Freitag, 01. Juni
2012
Guten Morgen,
heute wird der Insolvenzverwalter
bekanntgeben, ob die verbliebenen über 14.000 Schlecker-Mitarbeiter
noch eine Zukunft innerhalb der angeschlagenen Drogeriekette haben. Für
Anton Schlecker wird es eine solche Zukunft nicht mehr geben. Der
Drogeriekönig, der in der Spitze in 14.000 Filialen 50.000 Mitarbeiter in
17 Ländern regierte, ist gescheitert - an der eigenen Sturheit und einem
für den deutschen Mittelstand untypischen Größenwahn.
Unsere
Reporter Fabian Gartmann und Sönke Iwersen erzählen in unserer heutigen Ausgabe
das Drama von Aufstieg und Fall des Anton Schlecker. Sie haben mit den im
Hause Schlecker tätigen Unternehmensberatern sowie mit ehemaligen und jetzigen
Führungspersönlichkeiten gesprochen - und erstmals auch mit der
Prätorianergarde von Anton Schlecker, den sogenannten
S-Klasse-Direktoren. Entstanden ist die exklusive Geschichte eines
angekündigten Scheiterns, einfühlsam erzählt und mit Zahlen gespickt, die
bisher noch niemand veröffentlicht hat. Ich glaube, alle Unternehmer in
Deutschland können von diesem Drama etwas für ihren Alltag lernen.
Zur Abrundung unseres Titelkomplexes sprach die
Handelsblatt-Einzelhandelsexpertin Kirsten Ludowig mit Schlecker-Kenner und
-Rivalen Dirk Roßmann. Ohne Schadenfreude, aber ausgestattet mit einer
großen Portion Altersklugheit, analysiert der 65-jährige
Familienunternehmer die Gründe von Schleckers Scheitern: Der habe sein
Personal schlecht bezahlt und nur unzureichend motiviert, in die falschen Lagen
investiert, sei dem Expansionsfieber erlegen und habe die Markttrends
verschlafen. "Es braucht den nötigen Respekt vor der Zukunft, um sich zu
verändern. Diese Entwicklung hat bei Schlecker einfach nicht mehr
stattgefunden." Dennoch bleibt Roßmann fair und erzählt auch von der
Großzügigkeit Schleckers, der, als Roßmann ihn eines Tages um eine Spende
bat, unverzüglich 250.000 Euro zusagte: "Dirk, morgen hast du das Geld auf dem
Konto."
Neues aus dem VW-Reich des Martin Winterkorn. Es wird
später am Tag personelle Veränderungen im Vorstand von MAN, Audi und im
VW-Zentralvorstand geben. Unsere heutige Zeitung nennt die Namen von Auf-
und Absteigern und beschreibt, welche Ziele Winterkorn mit der Rochade
verfolgt. Der Aufsichtsrat des Autobauers will die Veränderungen heute
Nachmittag bei einer Sitzung beschließen. Wenn man bei VW Papierkosten sparen
will, wäre das vielleicht ein Weg: Unsere Zeitung könnte nachher als
Tischvorlage dienen.
Lob für Ackermann, Tadel für Börsig: Auf der
Hauptversammlung zogen die Aktionäre eine positive Bilanz der Amtszeit
des Vorstandschefs. Die 7.000 Aktionäre spendeten tosenden Beifall, Josef
Ackermann war gerührt. Mit dem Chefkontrolleur rechneten die Aktionäre
allerdings scharf ab - zu Recht. Von allen Oberaufsehern in Deutschland war
Clemens Börsig die schwächste Besetzung. Seine Ambitionen waren stets größer
als sein Können.
Die Krise bei Thomas Cook verschärft sich.
Vorgestern noch hatten Sprecher des Unternehmens das Handelsblatt für seine
kritische Berichterstattung gerügt. Gestern gab der Reiseveranstalter bekannt,
dass er in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres knapp 900 Millionen Euro
Verlust gemacht hat. Die Aktie verlor in zwölf Monaten fast 90 Prozent
ihres Wertes. Das Positivste, was man über Thomas Cook derzeit sagen kann:
Die Sanierung der Firma ist nicht ausgeschlossen.
Ich wünsche Ihnen
einen guten Start in das Wochenende. Herzlichst grüßt Sie Ihr
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Gabor Steingart Chefredakteur
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