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Guten Morgen,
falls Sie bei IBM Deutschland arbeiten,
sollten Sie sich heute an Ihrem Schreibtischstuhl festschnallen. Das
US-Unternehmen plant in Deutschland einen Job-Abbau im großen Stil, bei
dem von 20.000 Arbeitsplätzen rund 8.000 auf der Strecke bleiben könnten. Das
hat unser Technologieexperte Jens Koenen gestern aus der Führungsetage des
Unternehmens erfahren. Das sogenannte "Liquid"-Programm macht aus festen Jobs
freie Tätigkeiten, was der Flexibilität und der Kostenstruktur der Firma
dienlich sein dürfte. Die Betroffenen allerdings zählen zu den Verlierern der
Operation: Ihre Arbeit bleibt, aber ihre Festanstellung verflüssigt
sich.
Schwarz-Gelb würde den Durchschnittsbürger im
Wahljahr gern um sechs Milliarden Euro entlasten. Das Dumme an der Idee
ist nur, dass die Länder dafür nicht auf Einnahmen verzichten wollen. Als ein
Ausweg aus dem Dilemma denkt man im Kanzleramt an eine Erhöhung des
Spitzensteuersatzes, auch wenn die bei der eigenen Wählerklientel höchst
unbeliebt wäre. Eine Ausrede hat man sich auch schon zurecht gelegt: Die SPD in
den Ländern sei schuld. Wenn die FDP diesem Plan zustimmt, kann sie sich auch
selbst auflösen. Für eine weitere Spitzensteuererhöhungspartei ist kein
Platz in Deutschland - wir haben schon so viele davon.
Kanzlerin
Angela Merkel besteigt heute ihren Regierungsflieger in Richtung
Peking. Zum Auftakt des bis Samstag andauernden Besuchs trifft sie am
Donnerstag Ministerpräsident Wen Jiabao. Am Freitag ist ein Gespräch mit
Staatspräsident Hu Jintao geplant. Danach fliegt Merkel nach Guangzhou in
Südchina, um ein Werk des deutschen Tunnelbohrmaschinen-Herstellers
Herrenknecht zu besichtigen. Die Euro-Krise wird Merkels ständiger
Begleiter sein. Bei den Chinesen will sie diskret um ein größeres
europäisches Investment werben. Sie weiß: Das Geld, das die EZB druckt, hat
man in Peking stapelweise im Tresor liegen. Das Wort "Schulden" ist bisher noch
nicht ins Chinesische übersetzt worden.
Auf den Chef der Deutschen
Börse, Reto Francioni, wartet heute ein Schicksalstag. Er würde gern
die New Yorker Börse Nyse Euronext übernehmen, aber wahrscheinlich darf
er nicht. Die Neun-Milliarden-Fusion liegt heute den 27 EU-Kommissaren
zur Abstimmung vor. Dort fürchtet man eine marktbeherrschende Stellung.
Dass es ein europäisches Unternehmen wäre, das dann den Markt beherrschte,
interessiert in Brüssel nur wenige. Der gemeinsame Binnenmarkt hat bisher
vieles hervorgebracht, einen europäischen Patriotismus aber noch nicht.
Die Aufsichtsräte der Deutschen Bank kommen jetzt gleich
turnusgemäß zu ihrer Aufsichtsratssitzung in Frankfurt zusammen. Sie wüssten
gern, wie das künftige Gespann Jürgen Fitschen und Anshu Jain sich
die Arbeit aufteilen will. Viel schlauer werden sie am Ende des Tages auch nicht
sein: Die beiden wissen es selbst noch nicht.
Die Zahl der
Arbeitslosen stieg im Januar wieder über die Marke von drei Millionen
Menschen. Schuld ist diesmal nicht die Konjunktur, sondern nur der Frost.
Wenn Klimaerwärmungs-Prophet Al Gore wüsste, wie kalt es in Deutschland
derzeit ist, würde er seinen Nobelpreis wahrscheinlich zurückgeben.
Ich
wünsche Ihnen einen beschwingten Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das
Herzlichste Ihr
Gabor Steingart Chefredakteur
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