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Montag, 30. April
2012
Guten Morgen Herr Scaruffi,
die Ruhe des Brückentages ist trügerisch: In
der Metallindustrie stehen die Zeichen auf Sturm: Die
Warnstreiks haben am Wochenende begonnen und sollen nach dem morgigen Tag
der Arbeit massiv ausgeweitet werden. Die IG Metall fordert das
Doppelte dessen, was die Arbeitgeber zu zahlen bereit sind. Auch die anderen
Branchengewerkschaften, bei der Telekom, der Chemieindustrie- und im
Bankensektor, sind entschlossen, diesmal mehr herauszuholen. "Ende der
Gemütlichkeit", lautet heute die Überschrift unserer
Titelgeschichte.
So gerne Ihre Wirtschaftszeitung der allgemeinen
Stimmung des "jetzt oder nie" nachgeben würde - es geht nicht. Unsere Aufgabe
sehen wir so, wie sie der Nationalökonom Wilhelm Röpke einst für die
gesamte Zunft der Ökonomie beschrieben hat: "Sie hat die glanzlose, aber desto
nützlichere Mission, inmitten der Leidenschaften und Interessen des politischen
Lebens die Logik der Dinge sprechen zu lassen, die unbequemen Tatsachen und
Zusammenhänge ans Licht zu ziehen, Seifenblasen anzustechen und Illusionen zu
entlarven." Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als den
Gewerkschaftsführern die glanzlose und zugleich nützliche Tugend des Maßhaltens
zu empfehlen. Und zwar im ureigensten Interesse der Belegschaften: Weniger
wird am Ende mehr sein. Auf zwei Sonderseiten analysieren wir heute die
Ausgangslage im Tarifkonflikt 2012.
Angesichts wachsender
Sorgen um die spanische Wirtschaft werden nicht nur in Europa immer mehr
Stimmen laut, die die Abkehr von der Sparpolitik fordern. Auch
US-Notenbanker John Williams plädiert im Gespräch mit dem Handelsblatt für
die richtige Balance zwischen Sparen und Wachsen. "Ich bin sehr besorgt über das
Risiko einer neuerlichen Verschärfung in der Schuldensituation der europäischen
Staaten und im europäischen Finanzsystem", sagte er. "Das Schlimmste ist noch
nicht vorbei."
Lutz Goebel, Verbandschef der Familienunternehmer,
spricht im Handelsblatt-Interview über die Fehler der Merkel-Regierung.
Vor allem die Union habe ihr marktwirtschaftliches Profil verloren, sagt er.
Deutschland brauche aber eine marktwirtschaftlich denkende Partei. Goebel
wünscht sich daher ein Überleben der FDP. Bleibt nur die Frage, ob die
heutige FDP so denkt, wie Goebel denkt, dass sie denken sollte.
Der
Familienkonzern Haniel legt in Duisburg die Bilanz vor.
Rechtzeitig vorher hatte der Aufsichtsrat für Klarheit an der
Unternehmensspitze gesorgt: "Im Laufe des Sommers" werde der bisherige
Lufthansa-Manager Stephan Gemkow als neuer Vorstandschef die Geschäfte
von Jürgen Kluge übernehmen. Bisher hat noch kein Mitglied des
Haniel-Clans erklärt, wie man eigentlich auf Gemkow kam. Die Deutsche
Lufthansa, gezeichnet von Verlusten, Sparprogrammen und fehlender
strategischer Klarheit, ist jedenfalls nicht das Vorbild, das man dem
Haniel-Imperium wünscht.
In einigen Geschäften von Aldi Süd
sollen Filialleiter Kundinnen beim Einkauf heimlich in den Ausschnitt
oder unter den Rock gefilmt haben, berichtet heute der "Spiegel". Die Filme
seien auf CD gebrannt und untereinander getauscht worden. Aldi Süd teilte dem
Handelsblatt mit, die vom "Spiegel" geschilderte Verwendung der Videoanlage sei
"eindeutig missbräuchlich und rechtswidrig". Dies werde nicht geduldet. Der Fall
muss aufgeklärt werden. Aber auch der Einsatz von Videokameras andernorts
verdient eine kritische Überprüfung. Eine alte Bauernregel besagt: Wo eine
weiße Maus lebt, lebt auch eine zweite.
Ich wünsche Ihnen einen
geruhsamen Start in eine kurze Arbeitswoche. Es grüßt Sie herzlichst Ihr
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Gabor Steingart Chefredakteur
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